Full text: Handwörterbuch der Chemie (2. Abtheilung, 3. Theil, 3. Band)

   
  
   
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
   
  
  
  
  
   
   
  
   
  
  
  
    
   
   
  
    
  
  
  
   
    
  
   
    
   
   
  
     
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Cystin und Cystein. 161 
Cystin und Cystein.") Das Cystin (Blasenoxyd, Cysticoxyd) wurde 1810 von 
WOLLASTON (1) entdeckt; es bildet den Haupt- oder alleinigen Bestandtheil von sehr 
selten vorkommenden menschlichen Harnsteinen und Harngries (auch von Hunden), 
findet sich auch zuweilen im Harn gelóst (Cystinurie) und setzt sich dann beim 
Stehen daraus ab (Tozr) (2). Neuere Fülle von Cystinurie wurden beobachtet 
von NIEMANN (3), LösıscH (4) und EssTEIN (5); letzterer fand in einem Falle die 
in 94 Stunden ausgeschiedene Menge Cystin zu 0:11—0:50 Grm. Von CLOëTTA (6) 
wurde Cystin in der Rindsniere, von SCHERER (7) in typhôser Leber nachgewiesen. 
Ueberhaupt scheint das Cystin ein Produkt des normalen Stoffwechsels zu sein, 
welches aber unter normalen Verhältnissen sofort weiter zerfällt und nur unter 
pathologischen Bedingungen mit dem Harn ausgeschieden wird, eine Annahme, 
wofür namentlich auch die Beobachtungen von BAUMANN über die Bildung der 
Mercaptursäuren im Organismus sprechen. 
Zur Darstellung des Cystins benutzt man am besten Cystinsteine oder Cystin- 
harngries; man löst dieselben in Ammoniak, filtrirt und lässt das Filtrat an der 
Luft verdunsten, wobei das Cystin auskrystallisirt. Es bildet entweder farblose, 
6seitige Täfelchen oder 4 seitige, thombische, dickere Prismen; in Wasser, Alkohol 
und verdünnten organischen Säuren (ausser Oxalsäure) ist es unlöslich, löslich 
dagegen in Ammoniak, fixen Alkalien und starken Mineralsäuren. Ueber die 
Zusammensetzung des Cystins ist viel gestritten worden; THAULOW (8) stellte für 
dasselbe die Formel C,H,NSO, auf, welche von GMELIN (1) in C,H,NSO,, von 
DEWAR und GANGEE (9) in C,H,NSO, umgeändert wurde; neuere Untersuchungen 
von Kürz (10) und BAUMANN (11) haben dagegen die THAULOW’sche Formel be- 
stätigt, welche aber verdoppelt werden muss: C,H,4,N,8S,0,. Das Cystin ist 
stark linksdrehend; MAUTHNER (12) fand in salzsaurer Lósung [z]p — — 205°88°; 
Kürz (10) in ammoniakalischer [a]; = — 141-62° (Mittel). Mit Salz-, Schwefel-, 
Phosphor-, Salpeter- und Oxalsäure bildet es krystallinische Salze. 
Beim Erhitzen zersetzt sich das Cystin, ohne zu schmelzen, unter Entwicklung 
eines hôchst unangenehmen Geruches, wobei auch Blausäure auftritt. Mit alka- 
lischer Bleilósung gekocht liefert es Schwefelblei, mit Salpetersáure gekocht 
Schwefelsäure. Mit conc. Jodwasserstoffsiure auf 135° erhitzt wird es theilweise 
in Cystein verwandelt, oberhalb 140° giebt es damit ein farbloses, leicht flüchtiges, 
nach Mercaptan riechendes Oel, Ammoniak und eine flüchtige, schwefelfreie 
Säure (BAUMANN); durch Erhitzen mit Wasser allein oder mit Barytwasser wird 
es ebenfalls zersetzt, doch sind die Produkte noch nicht näher bekannt. Mit 
Salzsäure und Zinn. oder Zink behandelt entwickelt es nur Spuren von Schwefel- 
wasserstoff und wird fast glatt in Cystein umgewandelt (BAUMANN). Man erhält 
das salzsaure Salz dieses Körpers, indem man die durch Schwefelwasserstoff von 
*) 1) GMELIN-KrAUT, Handb. d. Chem. 4. Aufl. 5, pag. 133 (Zusammenstellung der älteren 
Literatur); Suppl. 1, pag. 651. BEILSTEIN, Handb. d. org. Chem., pag. 465. Neues Handwôrterb. 
d. Chem. 2, pag. 914. 2) TOEL, Ann. Chem. Pharm. 96, pag. 247. 3) A. NIEMANN, Deutsch. 
Arch. f. klin. Med. 18, pag. 232. 4) W. F. LOEBISCH, Ann. Chem. Pharm. 182, pag. 231. 
5) W. EpsTEIN, Deutsch. Arch. f. klin. Med. 23, pag. 138; 30, pag. 594- 6) CLOETTA, Ann. 
Chem. Pharm. 99, pag. 289. 
Chem. Pharm. 27, pag. 197. 
12) MAUTHNER, Zeitschr. f. physiol. Chem. 7, pag. 225. 
chem. Ges. 15, pag. 
14) JAFFE, Ber. d. deutsch. chem. Ges. 12, pag. 1092. 
LADENBURG, Chemie. lll. II 
7) SCHERER, N. Jahrb. f. Pharm. 7, pag. 306. 8) THAULOW, Ann. 
6) DEWAR u. GAMGEE, Journ. of Anat. and Physiol. 5, pag. 142. 
10) KijLz, Zeitschr. f. Biol. 20, pag. I. 11) BAUMANN, Zeitschr. f. physiol. Chem. 8, pag. 299. 
13) BAUMANN, Ber. d. deutsch. chem. 
1731; BAUMANN u. PREUSSE, Zeitschr. f. physiol. Chem. 5, pag. 309. 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
	        
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