548 Handwörterbuch der Chemie.
ist, namentlich wie diese unter Umständen coagulirt und beim Erhitzen mit Baryt-
wasser auf 150° in Kohlensäure, Ammoniak und Asparaginsäure zerfällt. Es
würde indessen verfrüht sein, wenn man hieraus sofort schliessen wollte, dass
auch die Eiweisskörper substituirte Harnstoffe sind. Zunächst ist gegen eine
solche Annahme einzuwenden, dass es immer noch nicht gelungen ist, Harnstoff
unmittelbar durch Spaltung aus Eiweiss darzustellen; selbst die Versuche von
SCHÜTZENBERGER können, wie bereits erwähnt, .diesen directen Beweis nicht er-
setzen. Ferner ist es sehr merkwürdig, dass die Spaltung des Eiweisses durch
conc. Salzsäure so wesentlich anders verläuft, als wie die durch Barythydrat,
Beide Prozesse haben zwar das gemeinsam, dass Ammoniak und Amidosäuren
entstehen, aber sie differiren sehr wesentlich in dem Umstande, dass bei der
Einwirkung des Baryts Kohlensäure, Oxalsäure und Essigsäure gebildet werden,
bei der Einwirkung der Säuren aber nicht. HuLAsıwerz und HABERMANN geben
ausdrücklich an, dass »das Casein als Zersetzungsprodukte ausschliesslich Glut-
aminsäure, Asparaginsäure, Leucin, Tyrosin und Ammoniak liefert«, und es ist
doch wohl nicht anzunehmen, dass diese Forscher das Auftreten von Kohlensäure,
Oxalsäure und Essigsäure sollten übersehen haben. Auch die Bildung von
Leuceinen und anderen, von ScnüTzENBERGER erhaltenen Amidosüuren haben
dieselben nicht beobachtet. Man muss demnach wohl annehmen, dass Baryt-
hydrat und Sáuren in ganz verschiedener Weise zersetzend auf das Eiweissmolekiil
einwirken, und dass die jeweiligen Endprodukte nicht durch eine, sondern durch
eine ganze Anzahl nach einander verlaufender Reactionen gebildet werden.
Lów hat jedenfalls Recht, wenn er meint, dass man im Eiweissmoleküle die
Amidosáuren nicht als bereits vorgebildet annehmen kónne (36). Die Con-
stitution des Eiweisses ist nicht mit derjenigen substituirter Harnstoffe (z. B.
Alloxan, Barbitursáure) zu vergleichen, sondern, wenigstens was die Bildung der
Amidosäuren anlangt, viel eher mit derjenigen der Harnsiure. Letztere nümlich
müsste, falls man mit GRIMAUX die Eiweisskórper als Verbindungen, welche unter
Wasseraufnahme in Kohlensáure, Ammoniak und Amidosäuren zerfallen können,
auffasst, auch als Eiweisskörper angesehen werden, da sie mit conc. Salzsäure
bei 180° bekanntlich Kohlensäure, Ammoniak und Glykokoll liefert. Letzteres
ist in der Harnsäure sicher nicht vorgebildet anzunehmen, es entsteht aber bei
der erwihnten Reaction aus der Gruppe*) — C — c — NH — durch Aufnahme
der Elemente des Wassers: C,HN + 2H,0 = C,H,NO,. Diese und ähnliche
Gruppen sind jedenfalls im Eiweissmolekiile enthalten und gehen durch Auf-
nahme von Wasser in Amidosäuren über; dass aber auch eine solche Gruppe
vorhanden sei, aus welcher unter Umständen Harnstoff entstehen könne, muss
so lange bezweifelt werden, bis es gelungen sein wird, denselben aus dem Ei-
weiss abzuspalten. In Bezug hierauf würe noch wichtig, den von GriMaux dar-
gestellten »eiweissáhnlichen« Kórper auf sein Verhalten gegen conc. Salzsáure
zu untersuchen und zu sehen, ob er dabei Harnstoff liefert oder nicht.
Noch ein anderer Punkt ist für die Beurtheilung der Constitution des Fi-
weisses von besonderem Interesse. Sowohl bei der Einwirkung von Säure, als
*) Harnsáureformel von MEDICusS: HN — CO
| bility
CO |C— NH
L.. Hl Co
HN —|C] - NH
fus sert