436 Handwôrterbuch der Chemie.
zum ersten Male in Anwendung kam und 1799 patentirt wurde, sollte Licht und
Wärme zugleich liefern, gab aber eine so schwach leuchtende Flamme, dass sie
nur wenig Fingang fand und bald vollständig durch das Kohlengas verdrängt
wurde. Erst 1840 gelang es PETTENKOFER (1) in München, aus dem Holze ein
stark leuchtendes Gas zu bereiten, welches das gewôhnliche Steinkohlengas noch
an Leuchtkraft übertraf. Er erkannte, das die Zersetzung und Verkohlung des
Holzes bei niedriger Temperatur, schon bei 150? beginnend, sich vollzieht, und
dass bei dieser niedrigen Zersetzungstemperatur sich neben wásserigen und am.
Kohlenstoff und Wasserstoff reichen theerigen Dämpfen nur ein nicht oder nur
schwach leuchtendes Gas bildet, welches Kohlen-Oxyd und -Dioxyd, Methan und
Wasserstoff, aber keine schweren Kohlenwasserstoffe enthält. Erhitzt man jedoch
die bei niedriger Temperatur entstehenden Zersetzungsprodukte bedeutend höher,
auf 700—840°, so werden aus den theerigen Dämpfen schwere, gasförmige Kohlen-
wasserstoffe gebildet, und man erhält ein stark leuchtendes Gas. Bei der Stein-
kohlenvergasung liegt die Temperatur der Zersetzung der Kohlen und der Bil-
dung von permanenten Kohlenwasserstoffen nicht weit auseinander, und es war
daher eine solche Schwierigkeit nicht aufgetreten.
In der ersten Zeit der Darstellung von Holzgas trennte man den Raum zur
Zersetzung des Holzes von dem zur Umwandlung der Dämpfe in leuchtendes
Gas, indem man die aus der Retorte entweichenden Produkte noch durch be-
sondere glühende Röhren streichen liess. Später fand man, dass diese Tren-
nung unnöthig sei, wenn man nur die Retorte im Verhältniss zur Beschickung recht
gross machte. Die Dämpfe verblieben dann länger in der Retorte und erfuhren
die nöthige Ueberhitzung durch die Berührung mit den glühenden Retortenwänden.
Als Material verwendet man meistens Fichten- oder Fóhrenhoiz, von dem 100 Kgrm.
ca. 30—40 Cbm. Gas, 30—40 Kgrm. Holzkohlen, 4— 5Kgrm. Theer und 40—55Kgrm.
Holzessig geben. Die Vergasung wird ähnlich wie bei der Steinkohlengasbe-
reitung in einer Retorte ausgeführt, welche aber aus Gusseisen besteht. Sie hat
einen halbkreisfórmigen Querschnitt, 630 Millim. lichte Breite, 360 Millim.
‘lichte Höhe und 2:75 Meter Länge und liefert in 24 Stunden ca. 230 Cbm.
Gas. Vor der Beschickung wird das Holz gut getrocknet in einem Raum,
welcher von den aus dem Retortenofen abziehenden Verbrennungsgasen
geheizt wird. Die Destillation beträgt 13—-2 Stunden. Das Rohgas wird durch
eine Vorlage, Condensatoren und Scrubber, durchgeleitet. In diesen Apparaten
scheiden sich 'Theer und Wasser ab, von denen das letztere Essigsáure und Holz-
geist, zwei sehr gut verwerthbare Nebenprodukte, enthält. In dem Gase ist dann
als einzige Verunreinigung nur Kohlensäure vorhanden, da Schwefelwasserstoff
und Ammoniak bei der Destillation nicht auftreten. Die Entfernung der Kohlen-
säure, welche 20—25% Vol. 9$ des Rohgases ausmacht, erfordert einen betrücht-
lichen Aufwand an Reinigungsmaterial und zwar für 100 Cbm. Gas in 24 Stunden
100—150 Kgrm. Kalk. Das Calciumhydrat wird in Reinigergefissen verwendet,
welche denen der Steinkohlengasfabrikation áhnlich sind, aber für dieselbe Menge
Gas bedeutend mehr Grósse haben müssen wie diese. Die sonstigen Einrichtungen
einer Holzgasfabrik sind dagegen weniger umfangreich und einfacher wie in der
Kohlengasanstalt. "Trotzdem sind Holzgasanstalten nur sehr wenig verbreitet und
nur dort vorhanden, wo Holz billiger wie Steinkohle zu haben ist, und die als
Nebenprodukt gewonnenen Holzkohlen sehr gut verwerthbar sind, da der Ver-
brauch an Reinigungsmaterial sehr stark ist. Sehr háufig vergast man auch Holz
mit einem Zusatze von Cannel-, Boghead oder bóhmischer Plattenkohle.
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