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502 Handworterbuch der Chemie.
zunehmender Menge des Lósungsmittels die Dissociation der activen Molekiilgruppen endlich eine
bestimmte Grenze erreicht, bei welcher entweder. ein vollständiger Zerfall stattgefunden hat, oder
Aggregate von constanter Zusammensetzung geblieben sind. Man darf also erwarten, dass von
gewissen Verdünnungen an die specifische Drehung sich nicht mehr weiter ändert.
2. Die active Substanz (47) geht mit einer bestimmten Anzahl von Molekülen des Lôsungs-
mittels chemische Verbindungen ein, bildet z. B. mit Wasser Hydrate, welche ein anderes, etwas
stärkeres, schwächeres oder entgegengesetztes Drehungsvermôgen besitzen, als der ursprüngliche
Körper. Je nach der Anzahl der entstandenen Moleküle dieser Verbindungen, die mit wachsender
Verdünnung sich vermehren müssen, könnte eine Zu- oder Abnahme der specifischen Rotation
eintreten.
Diese Hypothese von BREMER lässt sich ebenfalls der Prüfung durch den Versuch unterwerfen,
denn man kann erwarten, dass bei Weinsäure und Aepfelsäure von einer gewissen Wassermenge
der Lösung an endlich alle Moleküle in Hydrat übergegangen sind, und somit weitere Ver-
dünnungen keine Aenderung der specifischen Rotation mehr hervorrufen werden. Dieselbe muss
schliesslich einen constanten Werth annehmen.
3. Eine letzte Ansicht wurde von LANDOLT mit folgenden Worten ausgesprochen: »Es
ist denkbar, dass, wenn zwischen die Moleküle einer activen Substanz (z. B. Terpentinöl), die
alle eine gleiche Anziehung auf einander ausüben, andere Moleküle (z. B. Alkohol) treten, welche
mit einer abweichenden Anziehungsintensität einwirken, dadurch eine gewisse Modification in der
Structur der ersteren hervorgebracht wird, und zwar in der Weise, dass in jedem Molekül der
gegenseitige Abstand der Atome, ihre Anordnung im Raume, sowie die Art der Atombewegungen
sich ändert. Damit wird auch die Dissymmetrie in der Aetherdichtigkeit, welche die Activität
bedingt, modificirt, und diese Wirkungen werden um so stürker auftreten, je mehr die Zahl der
inactiven Moleküle zunimmt. Lost man den activen Kérper in verschiedenen indifferenten Flüssig-
keiten, so muss sich ebenfalls eine abweichende specifische Drehung ergeben, da jede Art von
Molekülen mit anderer Anziehung einwirkt.«
Nimmt man diese Verhältnisse als Ursache der Zu- oder Abnahme des Rotationsvermögens
an, so wird bei fortgesetzter Verdünnung die allmähliche Aenderung der Atomgruppirung immer
weiter vor sich gehen können, und es ist kein Grund vorhanden, dass von gewissen Wasser-
mengen an eine Constanz der specifischen Drehung eintreten muss.
Um diese Verhältnisse zu prüfen, hat R. PRIBRAM (48) Weinsäure, Nicotin, Rohrzucker mit
einem Halbschattenapparat mit LIPPICH’schen Polarisatoren untersucht und folgende Resultate erhalten.
Weinsäure | Wasser 20 Weinsäure | Wasser 20
«ln [x]
2 q (jp P g n
47161 95-2859 | 14:198? 1:2586 | 98-7414 14:651?
3:0893 96:9107 | 14:970? 0:511 99:4999 15:584?
2:9339 9777661 |. 14:472? | 093471 99:6529 16:284?
NICO. 20 Rohrzucker | > IE
a aly
2 [2] p ^ | [«]p
4:0289 | 77-030° | 36589 | 66:531?
2:0125 T7870° | 20536 66:382?
1:3244 18:983? 1:0131 66:002?
0:8826 19:319? 03201 5| 65:415?
0:2222 | 65:218?
Als Resultat sámmtlicher bei Weinsäure, Nicotin und Rohrzucker erhaltenen Beobachtungen
ergiebt sich nach PRIBRAM, dass die specifische Rotation aller dieser Substanzen auch in den
gróssten Verdünnungen noch immerfort eine Zu- oder Abnahme erleidet und dass nirgends ein
Constantwerden derselben zu erkennen ist.
Von den drei anfangs erwühnten Hypothesen über die Ursache der Veründerlichkeit des
Rotationsvermógens durch den Einfluss inactiver Medien kónnten daher jedenfalls die zwei ersten
in den vorliegenden Fällen als unzulässig bezeichnet werden, während die dritte den Beob-
achtungen mindestens nicht widerspriche.