Handwörterbuch der Chemie.
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Würde man statt des Procentgehaltes ? die Anzahl @ Moleküle Salz, die in 100 Molekülen
Wasser gelöst sind, betrachten, so würde sich eine hyperbolische Beziehung zwischen Com-
pressibilität und Gehalt an Molekülen ergeben.
Statt der wirklichen Compressibilität haben W. C. RÖNTGEN und J. SCHNEIDER (4) die
relativen Werthe der scheinbaren Compressibilität gemessen, nämlich den Ausdruck
e (10913 — 14)
Hier ist y, die Compressibilitit des Materials, aus dem das Picnometer gefertigt ist, y, die
des Wassers und T, die einer Lósung.
Eine specielle Mittheilung der Zahlenwerthe ist hier ohne Bedeutung, da in denselben nicht nur
die Grosse 7,4, sondern auch y, und y, enthalten sind, wo y, sich von Substanz zu Substanz ändert,
Aus den Versuchen an Verbindungen der in der ersten und in der zweiten Reihe stehenden
Elemente und Radikale
J NO; Br Cl OH SO
H NH, Li K Na
ergab sich, dass die Compressibilitit einer aus je einem in der ersten und einem in der zweiten
: co,
Reihe stehenden Bestandtheil zusammengesetzten Verbindung meist um so kleiner ist, je weiter
diese Bestandtheile in der Reihe von einander abstehen.
Die Substitution von K durch Na, sowie von Li durch K hat nur wenig Einfluss auf die
Compressibilität im Vergleich zu dem Einfluss, den das Ersetzen von H durch NH, und von
NH, durch Li ausübt.
Die Compressibilität der meisten Salzlósungen liegt zwischen denen der Lösungen, die
gleichviel Moleküle der betreffenden Säure oder der Base enthalten, sie ist etwas kleiner als das
arithmethische Mittel dieser beiden.
Zwischen den relativen molekularen Compressibilitäten, es sind dies diejenigen, die auf solche
Lösungen bezogen sind, die gleichviel Moleküle in der Volumeneinheit enthalten, und der Ober-
flächenspannung derselben ergiebt sich, dass im Allgemeinen der grösseren Compressibilität die
grössere Oberflächenspannung entspricht.
Die Compressibilität von Salzlösungen ist von der Temperatur abhängig.
F. BRAUN (5) findet für eine ca. 22 proc. Salmiaklósung von 1? bis 18? eine Abnahme um ca. 3$.
M. SCHUMANN (6) fand, dass verdünnte Salzlósungen durchweg wie das Wasser eine mit
der Temperatur abnehmende Compressibilitit besitzen; Chlorammonium und Chlorbarium und wahr-
scheinlich auch Chlorkalium besitzen diese Eigenschaft bis zu den gróssten Concentrationen.
Es frägt sich, wie die Compressibilitit einer Salzlósung abhángt von der der Componenten.
Man kann dabei drei Annahmen machen, aus denen sich an der Hand der Beobachtungen
folgende Schlüsse ergeben.*)
1. Das Wasser geht in die Lósung ein mit dem Compressionscoefficienten, den es in iso-
lirtem Zustande hat, dann müsste man den Salzen negative Compressionscoefficienten beilegen.
Sie müssten sich bei der Compression ausdehnen, was undenkbar ist.
2. u. 3. Das Salz geht mit seinem gefundenem Compressionscoefficient in die Lösung oder
es ist in der Lósung ganz incompressibel, dann ist die berechnete Compressibilitit des Wassers
‘kleiner als die des isolirten. Es ist also das Wasser der Lösung durch das in ihm gelöste Salz
starrer geworden. Dies tritt sowohl bei dem Salmiak als auch bei den anderen Salzen ein, also
gleichgültig, ob beim Lösen Contraction oder Dilatation stattfindet,
Ausdehnung von Lösungen.
Die Ausdehnung einer grossen Anzahl von wässrigen Lösungen ist von
TH. GERLACH und DE HrEEN untersucht worden. Ihre Resultate sind unter ein-
ander im Wesentlichen übereinstimmende.
*) F. BRAUN, WIED. Ann. 30, pag. 267. 1887, mit diesen Ergebnissen stimmen die von
RONTGEN und SCHNEIDER, WIED. Ann. 31, pag. 1000. 1887 gefundenen Resultate unter Annahme
mittlerer Eigenschaften nicht überein, nach denen die aus Lösungen berechnete Compressibilität
des gelösten Kochsalzes gleich der des ungelösten ist, indess sucht BRAUN dies Resultat zu wider-
legen. WIED. Ann. 32, pag. 504. 1888.
A.