434 Handwörterbuch der Chemie.
schwerer als gewöhnliche Luft ist, dass sie mit der brennbaren Luft (Wasserstoff-
gas) ein Gemisch bildet, welches bei Annäherung einer Flamme mit starkem
Knall explodirt, er verwendete die dephlogistisirte Luft zur Erzeugung hoher
"Temperaturen, er empfahl dieselbe als »Lebensluft«, zum Einathmen bei Lungen-
schwindsucht, und er forderte die Chemiker auf, zu untersuchen, ob die atmo-
spháürische Luft an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten den gleichen
Grad von Reinheit, dieselbe relative Menge an Lebensluft enthalte. Wenn Prıeg-
STLEY, der Phlogistiker, auch nicht die chemische Bedeutung des von ihm ent-
deckten Gases vóllig erkennen konnte, so stellte er doch wesentliche Eigen-
schaften desselben fest, welche die Aufmerksamkeit der zeitgenóssischen Gelehrten
auf sich ziehen mussten. Nicht ohne innere Berechtigung wurde deshalb in dem
Orte Northumberland in Pennsylvanien, wo PRIESTLEY gestorben ist, der 1. August
1874, der hundertjdhrige Geburtstag des Sauerstoffs, durch eine Festfeier zum
Andenken an eine der wichtigsten chemischen Entdeckungen ausgezeichnet.
Etwas später als PRIESTLEY hat auch der grosse Chemiker KAnr, WirH. SCHEELE
(1742 Stralsund bis 1786 Kóping in Schweden) den Sauerstoff isolirt. Seine schon
1775 abgeschlossenen Versuche wurden 1777 in der »Abhandlung von der Luft
und Feuer« (Upsala und Leipzig) veroffentlicht. Er stellte das Sauerstoffgas,
welches er Feuerluft nannte, durch Erhitzen von Metallkalken (Quecksilber-,
Silber-, Goldoxyd), von Salpeter und besonders durch Einwirkung von Schwefel-
sáure oder Phosphorsáure auf Mangansuperoxyd her. Er fand, dass die Feuer-
luft absorbirt werde von Schwefelleber, von Terpentinól, von feuchten Eisenfeil-
spidhnen, von Phosphor u. s. w., und er untersuchte die Wirkung, welche dies
Gas bei der Atbmung der Thiere ausübt. Seine Untersuchungen betrafen auch
die atmospürische Luft, und er stellte fest, dass dieselbe ein Gemisch von zwei
verschiedenen elastischen Flüssigkeiten sei, von denen die eine verdorbene
Luft genannt wurde, weil sie für Thiere und Pflanzen tódtlich ist, die andere
Feuerluft, weil sie die Verbrennung und den Athmungsprocess unterhält. Er
gab auch ein gasometrisches Verfahren zur Bestimmung des ‘Gehaltes der ge-
meinen Luft an Feuerluft (mittelst Absorption durch feuchte Eisenfeile) an, und
die während des Jahres 1778 täglich ausgeführten Versuche ergaben, dass die
Luft, von verschiedenen Oertlichkeiten entnommen, eine nahezu unveränderliche
Menge Sauerstoff enthält, und zwar 4/4, eine Zahl, die von dem Ergebniss neuerer
Bestimmungen nicht allzusehr abweicht.
Die Fülle richtiger Beobachtungen von Thatsachen wurde von SCHEELE durch
eine Theorie zusammengehalten und erklärt, die leider als gänzlich unrichtig be-
zeichnet werden muss. SCHEELE gelangte zu folgenden Schlüssen: Das Phlogiston
ist ein wirkliches Element, es kann wegen seiner chemischen Affinität von einem
Körper auf einen andern übergeführt werden. Indem es sich mit der Feuerluft
vereinigt, bildet es das Feuer oder die Wärme. Die bei der Verbrennung auf-
tretende Feuererscheinung erklärte er damit, auch das Licht sei eine Verbindung
von Feuerluft und Phlogiston, aber an letzterem Bestandtheil reicher als die
Wärme, und von dem verschiedenen Gehalt an Phlogiston sei die Farbe des
Lichtes bedingt. Die Wärme sei eine so zarte Verbindung, dass sie die Wände
der Glasgefässe, welche zum Abschluss der Luft bei Verbrennungsversuchen be-
nutzt werden, durchdringe; deshalb steige das Absperrwasser in das Glasgefäss,
wenn Phosphor in dem abgesperrten Luftraum verbrenne oder, nach Absorption
der fixen Luft, bei Verbrennung von Substanzen, die, wie Kohle oder Weingeist,
solche entwickeln (2).
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