Full text: Handwörterbuch der Chemie (2. Abtheilung, 3. Theil, 10. Band)

   
  
Handwörterbuch der Chemie. 
Die Reduction der selenigen Säure zu Selen erfolgt auch durch verschiedene 
Metalle, wie Eisen, Zink, Kupfer, Silber bei Gegenwart von Salzsáure oder 
Schwefelsäure. 
Auch Schwefelwasserstoff wirkt auf selenige Säure reducirend ein; der aus 
kalter, verdünnter Lösung entstehende Niederschlag ist gelb und pulverig und 
enthált auf je ein Atom Selen zwei Atome Schwefel (121, 198): 
H,Se O, + 2H,S = 3H,0 + SeS,. 
Der Niederschlag besteht jedoch nicht aus Selendisulfid, das nicht zu existiren 
scheint, sondern aus einem Gemenge von Selensulfid, SeS, und freiem Schwefel. 
Lässt man die Einwirkung in der Wärme vor sich gehen, so schreitet die 
Oxydation des Schwefelwasserstoffs theilweise bis zur Bildung von Schwefelsäure 
vor und der Niederschlag enthält dann weniger Schwefel, als dem Verhältniss 
Se:S, entspricht; er fällt nun plastisch und roth aus. Die Reaction verläuft 
hierbei zum Theil nach der Gleichung: 
2H,5¢0; + HyS =H,50, + 2H,0 + 2Se. 
Es wird hierbei also durch die gleiche Menge Schwefelwasserstoft die vier- 
fache Menge seleniger Säure reducirt, als in der Kälte (121). 
Umgekehrt wirkt aber Selenwasserstoff im Ueberschuss auf schweflige Säure 
unter Bildung von Selen, Wasser und Schwefelwasserstoff, die Reaction verlüuft 
dabei in zwei Phasen; zunächst wird Selen und Schwefel abgeschieden nach 
der Gleichung: 
2H,5e + H,SO, = 2Se + S + 3H,0, 
und dann zersetzt der Schwefel einen weiteren Antheil des Selenwasserstoffs 
(s. diesen): 
H,Se + S = Se + H,S. 
Wird der Selenwasserstoff nicht im Ueberschuss angewandt, so bleibt die 
Umsetzung in der ersten Phase stehen und der Niederschlag zeigt die Zusammen- 
setzung eines Schwefeldiselenids, SSe,, enthilt jedoch keine Verbindung dieser 
Formel, sondern die beiden Elemente unverbunden neben geringen Mengen von 
Einfachschwefelselen, SeS (121). 
Physiologische Wirkung. Die selenige Säure ist in das Blut gebracht 
ein heftiges Gift; Hunde sterben nach Injection von 3 Milligrm. Säure auf 1 Kilo 
Körpergewicht. Sie wirkt schon bei einem Zusatz von etwas mehr als 2 Promille 
gärungshemmend auf Fleischbrühe (129, 147). In einer reinen Glukoselösung 
wird selenige Säure nicht reducirt, wohl aber auf Zusatz von Hefe, und zwar er- 
folgt die Abscheidung des Selens zuerst an den Hefezellen (129). Auch durch 
Staubtheile aus der Luft wird selenige Säure geröthet. 
Verbindungen des Selendioxyds mit Halogenwasserstoffen (148). 
Selendioxyd und Chlorwasserstoff. Trockenes Salzsäuregas wird von 
Selendioxyd unter lebhafter Wärmeentwicklung absorbirt, wobei sich zunächst die 
Verbindung SeO,-2HCl als bernsteingelbe Flüssigkeit bildet. Dieselbe beginnt 
schon bei 26° Chlorwasserstoff abzugeben und bei 106° ist ihre Dissociations- 
spannung gleich dem Atmosphärendruck. Bei niederer Temperatur nimmt sie 
von neuem Chlorwasserstoff auf und verwandelt sich in eine aus hellgelben 
Krystallflittern bestehende feste Masse der Zusammensetzung SeO,:4HCI. Die- 
selbe hat schon unter 0° eine beträchtliche Tension, die bei 26° auf 760 Millim. 
gestiegen ist. 
Selendioxyd und Bromwasserstoff vereinigen sich unter heftiger 
Reaction zu einem stahlgrauen, festen Körper der Zusammensetzung Se O,:4 H Br. 
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
  
    
  
   
     
    
    
  
   
   
  
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