566 Handwörterbuch der Chemie.
Streng davon zu unterscheiden und zu trennen ist die Aufsaugung oder Resorption,
die Aufnahme der Verdauungsprodukte aus dem Magendarmkanale in Blut und
Lymphe; wührend die Verdauung hauptsáchlich auf chemischen Vorgángen beruht,
kommen bei der Aufsaugung fast nur physikalische in Betracht, vor allem die Osmose.
Im Folgenden sollen nur die eigentlichen Verdauungsvorgánge behandelt werden.
Das Wesen der Verdauung ist ein Auflósungsprocess; die aufgenommene
Nahrung wird mit einfachen Lósungsmitteln (Wasser, schwache Salzlósungen etc.)
oder auch mit Reagentien in Berührung gebracht, welche die àn sich unlóslichen
oder wenn schon gelóstzur Ernührung direkt ungeeigneten Substanzen in lósliche,
bezw. zur Ernährung geeignete umwandeln, häufig unter Spaltung des ursprüng-
lichen Moleküls. Diese Reagentien sind meist sogen. Enzyme, welche von
besonderen Organen, den Verdauungsdrüsen, bereitet werden; eine sehr kleine
Menge derselben reicht hin, um grosse Mengen Nahrungsstoff zu lösen, und auf
diese Weise erreicht der Organismus den Zweck der Verdauung mit dem
geringsten Aufwande an Material und Kraft.
Die Verdauung beginnt mit der Aufnahme der Nahrung in den Mund
(wenigstens bei Menschen und Säugethieren, auf welche sich das Nachfolgende
vorwiegend bezieht), woselbst die erste Verdauungsflüssigkeit, der Speichel,
das Gemisch der Secrete der glandulae parotides, submaxillares, sublinguales und
der Mundschleimhaut hinzutritt und mit der Speise mehr oder weniger innig
gemischt wird. Bezüglich der Eigenschaften und Zusammensetzung dieses Secretes
sei auf Bd. XI, pag. 45 dieses Werkes verwiesen; hier genüge die Bemerkung,
dass das diastatische Enzym des Speichels, das Ptyalin, die Stárke und das
Glykogen der Nahrung in Zucker umwandelt, und dass der Schleimgehalt die
Oberfláche des Bissens schlüpfrig macht und dadurch das Verschlucken desselben
erleichtert. Die Absonderung des Speichels scheint in geringem Maasse con-
tinuirlich zu erfolgen, in erheblich gesteigertem bei Reizung der Drüsennerven
auf reflektorischem, direktem oder psychischem Wege. Dabei findet erhebliche
Steigerung des Blutstroms durch die Drüsen und der Temperatur derselben statt.
Aus dem Munde gelangt die Speise durch die Speiseróhre in den Magen,
eine grosse, sackühnliche, mit starken Muskelwandungen versehene Erweiterung
des Verdauungskanals, welche innen mitSchleimhaut ausgekleidet ist. In dieser
finden sich zahlreiche (ausser in der Gegend des Pylorus) eigentümliche Drüsen,
die sogen. Labdrüsen, welche die zweite Verdauungsflüssigkeit, den Magensaft,
absondern. Die Secretion desselben geschieht nicht continuirlich, sondern auf
gewisse Reize hin, welche von der Magenschleimhaut aus auf reflektorischem
Wege (in geringem Maasse auch durch psychische Vorstellungen) ausgelóst
werden; besonders wirksam erweist sich die Berührung der Magenschleimhaut
mit festen, verdaulichen und unverdaulichen Substanzen.
Um den Magensaft zu gewinnen, kann man sich verschiedener Methoden
bedienen. Natürlichen Magensaft erhält man am besten aus natürlichen oder
Chem. II, pag. 472. 5) Centralbl. f. klinische Medicin 8, No. 40. 6) Zeitschr. f, phys.
Chem. 13, pag. 1.7) Vergl. Jahresb. f. Thierchemie von MarLv; Jahresb. über die Fortschritte der
Anat, u. Physiol., von HOFMANN, bezw. HERRMANN U. SCHWALBE, 8) W. KÜHNE, physiol, Chem. 1868.
9) S. G. HEbIN, in: der Abbau der Eiweissstoffe, von E. DRECHSEL, Arch. f. (Anat. u.) Physiol.
1891, pag. 248—278. 10) RADZIEJEWSKI u. E. SALKOWSKI, Berl. Ber. 7, pag. 1050. 11) GUMI-
LEWSKI, PFLUGER’s Archiv 39, pag. 556. 12) F. ROHMANN, PFLUGER’s Archiv, 41, pag. 411.
13) s. u. A. BIENSTOCK, Zeitschr. f. klin. Med. 8, pag. 1. 14) s. bes. die Arbeiten v. W. KÜHNE,
M. NENCKI, G. HüFNER, E. BAUMANN, E. SALKOWSKI u, A.; Literatur bei Art. »Füulniss« Bd. IV.
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