gleiche Strecke v vorwärts. In Wirklichkeit durchmißt er aber außer-
dem relativ zum Wagen, also auch relativ zum Bahndamm in dieser
Sekunde durch sein Gehen die Strecke w, welche der Geschwindigkeit
seines Ganges gleich ist. Er legt also in der betrachteten Sekunde
relativ zum Bahndamm im ganzen die Strecke
W=vtw
zurück. Später werden wir sehen, daß diese Überlegung, welche das
Additionstheorem der Geschwindigkeiten gemäß der klassischen
Mechanik ausdrückt, nicht aufrecht erhalten werden kann, daß also
das soeben hingeschriebene Gesetz in Wahrheit nicht zutrifft. Einst-
weilen aber werden wir auf dessen Richtigkeit bauen.
$7. DIE SCHEINBARE UNVEREINBARKEIT
DES AUSBREITUNGSGESETZES DES LICHTES MIT DEM
RELATIVITÄTSPRINZIP
Es gibt kaum ein einfacheres Gesetz in der Physik als dasjenige,
gemäß welchem sich das Licht im leeren Raume fortpflanzt. Jedes
Schulkind weiß oder glaubt zu wissen, daß diese Fortpflanzung
geradlinig mit einer Geschwindigkeit c = 300.000 km/sec geschieht.
Wir wissen jedenfalls mit großer Exaktheit, daß diese Geschwindig-
keit für alle Farben dieselbe ist; denn wäre dies nicht der Fall, so
würde bei der Bedeckung eines Fixsternes durch seinen dunklen Be-
gleiter das Emissionsminimum für die verschiedenen Farben nicht
gleichzeitig beobachtet werden. Durch eine ähnliche, an die Beob-
achtungen der Doppelsterne sich knüpfende Überlegung konnte der
holländische Astronom De Sitter auch zeigen, daß die Fortpflanzungs-
geschwindigkeit des Lichtes von der Bewegungsgeschwindigkeit des
das Licht emittierenden Körpers nicht abhängen kann. Die Annahme,
daß diese Fortpflanzungsgeschwindigkeit von der Richtung „im
Raume“ abhänge, ist an sich unwahrscheinlich.
Kurz, nehmen wir einmal an, das einfache Gesetz von der kon-
stanten Lichtgeschwindigkeit c (im Vakuum) werde von dem Schul-
kinde mit Recht geglaubt! Wer möchte denken, daß dieses simple
Gesetz den gewissenhaft überlegenden Physiker in die größten ge-
danklichen Schwierigkeiten gestürzt hat? Diese Schwierigkeiten er-
geben sich wie folgt.
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