Full text: Handbuch der Botanik (1. Abtheilung, 1. Theil, 1. Band)

8 Blumen und Insekten. 
Kreuzung hervorgegangenen Samenkórner die günstigere Wirkung dieser Befruchtungsart. Aber und 1 
auch, wenn jetzt ein Unterschied noch durchaus nicht bemerkbar ist, tritt er in der Regel deut- war. 
lich. hervor, wenn man den Versuch folgendermassen fortsetzt: Man sàáet beiderlei Samen in Verw: 
feuchten Sand, pflanzt, so oft ein aus Kreuzung und ein aus Selbstbefruchtung hervorgegangener Samen : komn 
gleichzeitig keimen, beide Keimlinge neben einander in denselben Blumentopf, gleichweit vom zrfah 
Rande entfernt, und láüsst sie hier, gleicher Belichtung, Befeuchtung und Wärmeeinwirkung aus- misc 
gesetzt, unter moglichst gleichen Lebensbedingungen im Wettkampfe mit einander heranwachsen. 
Um auch im Boden jede Ungleichheit der Bedingungen nach Möglichkeit zu beseitigen, glüht durch 
man ihn vorher aus und zerstört dadurch die in ihm enthaltenen Keime, dann siebt man ihn Denn 
vor dem Gebrauch durch ein feines Sieb und macht ihn dadurch móglichst gleichmässig. Stellt weSer 
man in dieser Weise alle Lebensbedingungen der aus beiderlei Befruchtungsarten hervorgegangenen die 1 
Pflanzen móglichst vollkommen gleich her, so kónnen Unterschiede, welche bei der Entwicklung pflan: 
derselben hervortreten und bei Wiederholung des Versuchs regelmissig wiederkehren, offenbar dem 
nur in ihrem verschiedenen Ursprunge aus Selbstbefruchtung oder aus Kreuzung begründet sein. Kreu: 
Wiirde man sich bei einer diesem Versuche unterworfenen Pflanzenart auf den Vergleich eines und 
einzigen Pflanzenpaares beschränken, so wäre man allerdings in hohem Grade der Gefahr aus- befru 
gesetzt, eine individuelle Abänderung einer einzelnen Pflanze als eine Folge der bestimmten Gene 
Befruchtungsart, welche vorausgegangen ist, anzusehen. Wenn man aber jedesmal eine grössere Pflan 
Zahl in der beschriebenen Weise erhaltener und behandelter Pflanzenpaare dem Vergleiche (ihrer Selbs 
Grösse, Fruchtbarkeit u. s. w.) unterwirft und aus den durch diesen Vergleich sich ergebenden welcl 
beiderlei Zahlenreihen die mittleren Durchschnitte berechnet, so ist damit auch diese Fehlerquelle 
beseitigt. CHARLES DARWIN [1] war es, der zuerst durch allgemeine Betrachtungen auf die hohe 
Bedeutung der Kreuzbefruchtung in der gesammten lebenden Welt aufmerksam wurde, und der die 
dann spüter den eben beschriebenen Weg, die Wirkungen derselben durch den Versuch festzu- lief 
stellen, aussann und an zahlreichen Pflanzen der verschiedensten Familien und Länder eine 
lange Reihe von Jahren hindurch erprobte. Aus seinen Versuchen ergibt sich als allgemeine 
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Regel, für die jedoch noch einige, näherer Aufklärung durch weitere Versuche bedürftige Aus- Rät 
nahmen bestehen, Folgendes: : 
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Aus Kreuzung mit einem fremden (unter anderen Lebensbedingungen aufge- 
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wachsenen) Stocke hervorgehende Nachkommen sind durchschnittlich grósser, di 
kräftiger und fruchtbarer, sie leisten durchschnittlich feindlichen Einflüssen (wie 
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z. B. plotzlichem Temperaturwechsel oder der Mitbewerbung anderer Pflanzen 
in dicht besetztem Lande) viel wirksameren Widerstand als die aus Selbstbefruchtung 
hervorgehenden Nachkommen. Nur unter günstigen Bedingungen für sich auf- 
wachsend lassen die letzteren bisweilen kein Zurückbleiben gegen die ersteren Nac 
erkennen. In strengen Wettkampf mit ihnen versetzt, werden sie regelmässig vid 
von ihnen überwunden. ent 
Diese günstige Wirkung der Kreuzung ist indess nicht etwa davon abhüngig, dass über- V 
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haupt zwei getrennte Pflanzen vereinigt werden, sondern davon, dass dieselben verschiedenen 
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Lebensbedingungen ausgesetzt gewesen sind und daher verschiedene Lebensreize empfangen und 
verschiedene Lebenskräfte entwickelt haben. Nur in diesem Falle geht aus der Combination 1st 
beider eine verstürkte Lebensfáhigkeit hervor. Wurden daher Pflanzen viele Generationen hin- lost 
durch immer unter denselben Lebensbedingungen gehalten und immer nur durch Selbstbefruchtung mu 
oder durch Kreuzung unter sich fortgepflanzt, so dass sich die urspriinglich vorhandenen indi- We 
viduellen Verschiedenheiten von Generation zu Generation mehr ausglichen, so brachte dann Art 
Kreuzung solcher Pflanzen unter sich keine oder kaum giinstigere Wirkungen hervor als Selbst- Gn 
befruchtung. | Wurden dagegen solche, andauernd enger Inzucht ausgesetzt gewesene Pflanzen die 
mit einem frischen Stocke gekreuzt, so war die günstige Wirkung der Kreuzung dann in ab; 
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der Regel um so auffallender. — Ob Blüthen mit ihrem eigenen Pollen oder mit Pollen anderer 
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Blüthen desselben Stockes befruchtet werden, macht, wie sich hiernach erwarten lässt und wie 
die DARWIN’schen Versuche wirklich ergeben haben, nur wenig Unterschied. we 
Diese Versuche DARWIN's haben in Bezug auf das Pflanzenreich eine Erfahrung bestätigt ge 
und mit wissenschaftlicher Genauigkeit im Einzelnen nachgewiesen, welche in Bezug auf Menschen Fo 
 
	        
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