Full text: Handbuch der Botanik (1. Abtheilung, 1. Theil, 1. Band)

    
   
  
  
  
  
  
  
   
  
  
   
   
   
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
     
  
  
  
694 Die Morphologie der Phanerogamen. 
preisgekront, das Jahr vorher schon hatte die classischen Untersuchungen von HOFMEISTER [die 
Entstehung des Embryo der Phanerogamen, Leipzig 1849] gebracht, die ohne Polemik die beste 
Kritik von SCHLEIDEN's Theorie gab. Sowol die fortgesetzten, noch heute bis zu STRASBURGER's 
Untersuchungen über Befruchtung hin in allen’ Punkten vollgültigen exacten Untersuchungen 
HOFMEISTER’S, als auch eine zu dem Zweck, die Befruchtungsfrage durch wenige aber um so genauer 
angestellte Untersuchungen zu lösen, von RADLKOFFER 1856 verfasste Schrift zeigten endlich den 
positiven Fehler SCHLEIDEN’s und liessen die richtige Darstellung durchdringen und einen steten 
Fortschritt ermöglichen. Es sei noch zum Schluss erwähnt, dass die Entwicklung des Embryos 
selbst von der ersten Eizellentheilung bis zur vollendeten Samenreife (ausser von vielen Ver- 
fertigern monographischer Arbeiten) umfassend besonders durch HANSTEIN, HEGELMAYER und 
FLEISCHER untersucht worden ist. Was STRASBURGER um die richtigere Erkenntniss der Be- 
fruchtungsvorgänge für Verdienste sich erworben hat, ist schon oben wiederholt hervorgehoben. — 
IV. Abschnitt, 
Die Morphologie der Blüthe und- Frucht. 
Kapitel ı. 
Die Inflorescenzen. 
Es ist wiederholt hervorgehoben, dass die fructificirenden Sprosse ein über 
die sexuelle resp. fruchtbildende Thiitigkeit hinausgehendes Leben nicht haben. 
Die Phanerogamen haben nun vielfach ein einfaches Mittel, um trotzdem immer 
gleichzeitig. über eine grössere Menge von Sexualorganen verfügen zu kónnen, 
indem sie die dazu bestimmten Sprosse in eine reiche Astbildung eintreten lassen. 
Es genügt für eine geringere Zahl von Blüthen, wenn dieselben successiv über- 
einander in den Blattachseln als einfache Zweige stehen, und diese Bildung sehen 
wir vorzüglich bei solchen Pflanzen, welche als annuelle die oberen überhaupt 
vorhandenen Blattachseln insgesammt zur Blüthenbildung verwenden können, da 
die Pflanze nicht perenniren soll; die Ackerbewohner der Gattung Veronica, 
die Anagallis, aber auch perennirende Pflanzen wie Zysimachia können als wohl- 
bekannte Beispiele für solche einfach axilläre Blüthen dienen. Bei diesen ist der 
Zweig sogleich zum Blüthenstiel (Pedunculus) geworden und endigt in dem 
Torus der einen Blüthe. Es zeigen einige Holzgewächse in den Tropen sogar 
die Eigenthümlichkeit, einzelne Blüthen aus dem Holzstamm direkt hervortreten 
zu lassen; ob aus schlummernden Knospen oder nicht, muss einstweilen dahin- 
gestellt bleiben. — 
Die Mehrzahl der Pflanzen aber hat in den Sexualsprossen eine viel reichere 
Verzweigung, indem die Hauptachse entweder überhaupt nicht, oder wenigstens 
erst nach Hervorbringung zahlreicher Nebenachsen in einen Torus sich umbildet, 
und die Hauptmasse der Blüthen an ihren Aesten steht. In diesem Falle sprechen 
wir von einem Blüthenstande (Inflorescentia), und die in den Inflorescenzen 
verkórperten Verzweigungsverháltnisse pflegen die der vegetativen Region an 
Reichthum weit,zu übertreffen und für die natürliche Systematik durch die hier 
entfaltete Mannigfaltigkeit vorzügliche Charaktere zu liefern. So haben wir diese 
zu Anfang der specielleren Blüthenmorphologie hervorzuheben. 
Allgemeine Charaktere. — Die Inflorescenzen unterscheiden sich von 
der zur Ernührung bestimmten oberirdischen Region derselben Pflanze in der 
   
	        
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