Full text: Handbuch der Botanik (1. Abtheilung, 1. Theil, 1. Band)

    
  
    
   
   
  
   
  
  
  
     
   
  
  
  
  
  
  
  
  
     
   
     
   
   
   
   
   
   
     
    
   
    
    
     
    
    
    
      
  
  
  
  
  
  
  
Blumen und Insekten. 
Fig. 20. Blütheneinrichtung einer Crucifere. 
(Wiesenschaumkraut, Cardamine pratensis.) 
1 Bliithe, gerade von oben gesehen, 2 dieselbe, 
nach Entfernung der beiden vorderen Blumenblätter, 
von der Seite gesehen, 3 Befruchtungsorgane und 
Nektarien (n), doppelt so stark vergróssert. 
Allgemein sitzt bei den Cruciferen der an den 
Wurzeln der Staubfäden abgesonderte Honig in ein- 
zelnen Tröpfchen im Grunde der Blüthe, bei aufrechtem 
Zusammenschliessen der Kelchblätter völlig versteckt, 
bei schwachem Auseinandertreten derselben bisweilen 
für geübtere Augen unmittelbar von aussen sichtbar. 
Allgemein ist ferner Kreuzung bei eintretendem In- 
sektenbesuche nur dadurch ermöglicht oder be- 
günstigt, dass die Staubgefässe sämmtlich oder zum 
  
Theile ihre pollenbedeckte Seite so stellen, dass ein 
zum Honig vordringendes Insekt sie streifen und 
mit der entgegengesetzten Seite die Narbe berühren muss. Fliegt dasselbe Insekt alsdann von 
Blüthe zu Blüthe, von Stock zu Stock, und streckt seinen Kopf oder Rüssel in wechselnden 
Stellungen in die Blüthe, so wird es bisweilen auch Pollen früher besuchter Stöcke auf Narben 
später besuchter absetzen. Aber unzureichender Insektenbesuch und die Unsicherheit der ange- 
deuteten Kreuzung nóthigen die meisten Cruciferen, im Nothfalle sich mit Selbstbefruchtung zu 
begnügen, welche dann durch unmittelbare Berührung der Narbe mit den kürzeren oder längeren 
Staubgefässen erreicht wird. Selbst grossblumigere, honigreichere und deshalb reichlicher von 
Insekten besuchte Cruciferen, wie Cardamine pratensis (fig. 20), konnen den Nothbehelf der 
Selbstbefruchtung nicht ganz entbehren. Sie beschränken aber durch Verlängerung und dichteres 
Zusammenschliessen der Kelchblätter den Zutritt zum Honig auf einen immer engeren Kreis 
langrüsseligerer und emsigerer Besucher und gelangen dadurch schliesslich zur Anpassung an 
ganz bestimmte Insektenformen. Schon bei Cardamine pratensis ist der Honig bloss noch 
Schmetterlingen, Bienen und langrüsseligen Fliegen (Wollschwebern, Schnepfen- und Schweb- 
fliegen), bei ZZesperis matromalis nur noch Schmetterlingen und unserer langrüsseligsten Fliege 
(Rhingia rostrata, fig. 7.), bei Hesperis tristis endlich ausschliesslich Schmetterlingen zugänglich. 
Eine noch viel reichhaltigere Stufenfolge von offenen zu einseitig den Schmetterlingen 
angepassten Blumenformen hat die Familien der Nelkengewächse, Carvopaylleen, (Alsineen und 
Sileneen) aufzuweisen. Die offenen Blüthen der Akszneen bieten ihren Honig allgemein zugäng- 
lich dar und werden daher überwiegend von kurzrüsseligen Insekten, besonders Fliegen, Käfern 
à und weniger ausgeprágten Bienen, besucht. Bei den 
Silencen sind die Kelchblätter zu einem einzigen 
becherförmigen Stücke zusammengewachsen, mit dessen 
stufenweiser Verlängerung die Lage des Honigs eine 
immer tiefere, der Kreis der ihn erreichenden Be- 
sucher ein immer beschränkterer wird. 
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Ji» Fig. 21. Uebergang zur Anpassung an Schmetter- 
linge (Zychnis flos cuculi). 
1 Blüthe, von der Seite gesehen (*/, : 1). 
2 Blüthe, von oben gesehen. 3 Blüthenmitte im 
ersten Stadium (8/5 : 1). Die 5 äusseren Staubgefässe 
(bis auf 1) sind geóffnet, die 5 inneren noch ge- 
schlossen. 3b Stempel derselben Blüthe. 4 Blüthen- 
mitte im zweiten Stadium (*/,:1). Die 5 äussern 
Staubgefässe sind entleert und aus der Blüthe heraus 
  
gebogen, die 5 innern geöffnet. 4b Stempel der- 
selben Blüthe. 5 Blüthenmitte im dritten Stadium (#/,: 1). Alle Staubgefässe sind verblüht, 
  
    
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