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Insulin eine günstige Wirkung in Hinsicht auf den Gehalt von Zellen und Blut
an Azetonkórpern ausübt, ohne da an eine unmittelbare Wirkung auf ihre
Bildung bzw. ihren Abbau gedacht zu werden braucht.
Kehren wir nun zurück zum Problem derEinregulierung desBlutzucker-
gehaltes. Es ist naheliegend, beim Insulin an einen Gegenspieler zum Adrenalin
zu denken. Droht der Zuckerspiegel anzusteigen, dann kann das Insulin ihn herab-
setzen. So ganz einfach liegen die Verhältnisse nun nicht. Wir möchten auch bei
der Insulinabgabe gerne wissen, auf welche Weise die Abberufung erfolgt. Es
liegen Befunde vor, die darauf hinweisen, daß dem Vagus — insbesondere dem
rechten — als Inkretionsnerven für den Inselapparat eine solche Rolle zukommt.
Während wir beim Adrenalin einigermaDen in der Lage waren, die morpho-
logischen Gebilde für eine reflektorisch bewirkte Glykogenmobilisierung anzu-
führen: Leber — N. parasympathicus — Zuckerzentrum — N. sympathicus —
Leber (bzw. Nebenniere, Adrenalin — Leber), vermógen wir bei der Lieferung von
Insulin zur Zeit noch kein lückenloses Ineinandergreifen von entsprechenden Ge-
schehnissen nachzuweisen. :
Alles in allem erkennen wir, daß die Aufrechterhaltungeinesbestimmten
Zuckergehaltes im Blute mehrfach gesichert ist!. Nervensystem und
Hormone? arbeiten Hand in Hand. Erst dann, wenn wir an die Stelle der An-
einanderreihung von Einzelbefunden ein lebendiges, plastisches Bild des Gesamt-
geschehens bei der Durchführung bestimmter Funktionen entwerfen können, ist
ein wesentlicher Fortschritt in der Schaffung von Grundlagen für die Erkenntnis
von Abweichungen bestimmter Art von der Norm gegeben. Es gilt, das so mannig-
faltige Zusammen- und auch Wechselspiel der Leistungen der einzelnen Gewebe
eindeutig zu erfassen.
Vorlesung 9.
Herkunft der Kohlenhydrate im Organismus. Quotient D:N. Einrich-
tungen, die die Überführung von Nichtkohlenhydraten in Kohlenhydrate
beeinflussen. Verhalten der Glukose im Zellstoffwechsel. Schutzfunktion
der Glukuronsäure. Stufenweiser Abbau der Kohlenhydrate. Rolle von
Phosphorsäuredonatoren und -akzeptoren dabei.
Wir haben erfahren, daß die Muskelzellen Kohlenhydrate als Energiequelle
verwenden. Auch andere Zellen bedienen sich ihrer. Sie sind ganz besonders
umsatzfähig. Wir haben der Bedeutung des Glykogendepots in der Leber ge-
dacht und dabei jene Maßnahmen kennengelernt, die den Zuckergehalt des Blutes
innerhalb enger Grenzen konstant halten. Wir müssen uns nun noch, bevor wir
uns der Besprechung des Verhaltens der Glukose im Zellstoffwechsel zuwenden,
1 Man hat auch an einen Abruf von Insulin und Adrenalin durch den erhöhten bzw. ge-
senkten Blutzucker gedacht.
? Da das Hormon Thyroxin der Schilddrüse den Glykogengehalt der Leber zu senken im-
stande ist, hat man auch dieses als einen den Kohlenhydratumsatz steuernden Sendboten be-
trachtet. Man muß jedoch mit derartigen Folgerungen vorsichtig sein! Es steht der Nachweis
aus, daß jene Mengen an Thyroxin, die unter normalen Verhältnissen abgegeben werden, im
genannten Sinn wirksam sind. Dazu kommt, daß dieses die Erregbarkeit des N. sympathicus
steigert. Es ist denkbar, daß dadurch seine Ansprechbarkeit auf andere Einwirkungen be-
günstigt wird und so indirekt ein Einfluß auf den Glykogenabbau in der Leber zustande
kommt.