Full text: Lehrbuch der physiologischen Chemie

  
  
  
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Ausdruck gekommen wáre, daD ein erhobener Befund an bestimmte, im Organis- 
mus nicht vorhandene Bedingungen geknüpft ist, Solange er unter dieser Ein- 
schránkung betrachtet wird, behált er seine bestimmte Bedeutung, sobald jedoch 
eine kritiklose Verallgemeinerung erfolgt, besteht die Gefahr der Entwicklung 
von Vorstellungen, die an sich sehr interessant sein mögen, jedoch geeignet sind, | 
die Forschung aufzuhalten. Es ist notwendig, mit Nachdruck auf die erwähnten . 
Gefahren hinzuweisen. Je mehr unser Wissen sich auf dem Gebiete der physio- 
logischen Chemie vermehrt, um so schwieriger wird es für den, der sich über das 
zu unterrichter. bestrebt ist, was eine Grundlage für die Erkenntnis des Ab- 
weichens von normalen Vorgängen bilden soll, sich zurechtzufinden. Viel wichtiger 
als.das Erlernen vieler Einzeltatsachen und von Hypothesen aller Art ist die An- 
eignung festgefügter Grundlagen. Von ihnen aus wird eine kritische Betrachtungs- 
möglichkeit der in der kaum mehr übersehbaren Literatur niedergelegten For- 
schungsergebnisse gewáhrleistet. Die Forschung schreitet rasch fort! Es handelt 
sich nicht darum, den augenblicklichen Stand der Forschung auf bestimmten 
Gebieten restlos zu erfassen — er kann schon morgen überholt sein —, vielmehr 
muß das Rüstzeug so gestaltet werden, daß den Befunden der fortschreitenden 
Forschung gefolgt werden kann. Ein Verlassen von scheinbar wohlfundierten 
Anschauungen darf nicht zur Folge haben, daß ein Gefühl der Unsicherheit 
gegenüber dem übrigen Wissen auftritt. Eine solche Einstellung wird vermieden 
und die Freude an der Verfolgung des Fortschrittes eines Wissensgebietes erhalten, 
wenn tiefe innere Beziehungen zu ihm vorhanden sind. Über dem Einzelwissen 
muß eine Gesamtschau führend walten. Es gilt die höhere Warte zu erklimmen 
und von ihr aus zu verfolgen, welche Auswirkungen neue Erkenntnisse auf die 
Teilgebiete haben. Der Leitgedanke dieser Vorlesungen ist, Verstándnis für 
bestimmte Lebensvorgànge zu wecken. Vor allem sollen die so maBgebenden und 
so vielfach gestalteten Wechselbeziehungen im Geschehen im gesamten Organis- 
mus und innerhalb jeder Zelle berücksichtigt werden. 
Lange Zeit hindurch war bei der Erforschung des Schicksals bestimmter Ver- 
bindungen im Organismus der Versuch am sogenannten überlebenden Organ 
führend. So leitete man z. B. der Leber durch die Pfortader EiweiDbausteine 
(Aminosáuren), Milchsáure usw. zu und verfolgte, ob diese Substanzen im Leber- 
venenblut quantitativ wiederzufinden waren oder aber, ob ihre Menge abnahm. 
Im letzteren Fall stellte man fest, was aus ihnen geworden war. So fand man u. a., 
daB aus manchen von ihnen Glykogen (ein Kohlenhydrat) entstanden war. Es 
fand eine entsprechende Zunahme an ihm in Leberzellen statt. Aus anderen gingen 
Verbindungen hervor, die zu den sog. Azetonkórpern gehóren. Wieder andere 
wurden in der Leber teils direkt, teils nach erfolgter Veránderung mit anderen 
Verbindungen (Schwefelsäure, Glukuronsäure) gepaart. Wir müssen Versuche 
dieser Art kritisch betrachten und uns fragen, ob sie unter natürlichen Verhält- 
nissen verlaufen. Ist das ,,überlebende" Organ aus dem Kórper entfernt, dann 
entwickeln sich ohne Zweifel unmittelbar Bedingungen besonderer Art. Es ist 
aus dem Zusammenhang mit den übrigen Geweben gelóst. Es fehlt die Zufuhr 
von mancherlei für das Stoffwechselgeschehen wichtigen Stoffen. Das Nerven- 
system ist ausgeschaltet. Vor allem sind die Zufuhr von Nahrungsstoffen und die 
Wegnahme von Stoffwechselzwischen- und -endprodukten weitgehend gestórt bis 
aufgehoben. Vor allem fehlt auch die so wichtige, den jeweiligen Anforderungen des 
Stoffwechsels angepaDte Regulation der Blutzufuhr. Bald zeigt auch das histo- 
logische Bild der Zellen, daß sich Veränderungen eingestellt haben. Trotzdem 
lassen sich mancherlei grundlegend wichtige Feststellungen an Hand von Ver- 
suchen am überlebenden Organ machen, es ist nur notwendig, die Bedingungen
	        
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