Full text: Handbuch der Physik (3. Abtheilung, 1. Theil, 1. Band)

   
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Feste und flüssige Körper. 211 
andern Art gegenüber zu einer einfachen und mit unseren natürlichen Vor- 
stellungen übereinstimmenden Klassifikation dieser Körper führt. Es giebt nämlich 
l. Feste Kórper. Dieselben zeigen in keiner von beiden Hinsichten ein 
specielles Verhalten; sie beanspruchen nümlich endliche — und zwar meist er- 
hebliche — Kräfte, sowohl um deformirt als auch um comprimirt zu werden. 
Aeusserlich macht sich dies dadurch geltend, dass sie eine selbständige Gestalt 
und ein selbstándiges Volumen haben; man kann sie, von der notwendigen 
Handhabe oder Unterlage abgesehen, mit ringsum freier Oberfláche aufstellen und 
von Ort zu Ort schaffen. Die Theorie der Gestalts- und Volumenänderungen 
fester Kóper ist naturgemáss verwickelt, weil für beide Elementarvorgünge endliche 
Constanten in die Rechnung eingehen, und erst eine Combination beider Con- 
stanten für irgend einen wirklichen Vorgang maassgebend wird. 
2. Flüssigkeiten, genauer tropfbare Flüssigkeiten. Dieselben zeigen in 
Bezug auf jeden der beiden Elementarvorgánge ein spezielles Verhalten, und 
zwar in Bezug auf beide ein entgegengesetztes. Zu ihrer Deformation ist nämlich 
nur eine sehr kleine Kraft erforderlich, derart, dass eine selbständige Gestalt 
ihnen überhaupt nicht zukommt, ausgenommen unter besonders günstigen Um- 
ständen (z. B. Tropfen, Bläschen u. s. w.). Sie würden zerfliessen, wenn man 
ihnen nicht Gelegenheit gäbe, sich an einen festen Boden und ringsum an feste 
Seitenwände anzuschmiegen. Andererseits aber setzen sie der Aenderung ihres 
Volumens einen überaus grossen Widerstand entgegen, haben also ein selb- 
ständiges Volumen, und man darf demgemäss die Gefässe, in welchen man sie 
aufstellt oder transportirt, oben offen lassen, ohne Verlust an Substanz befürchten 
zu miissen — Wohlverstanden, insoweit die Substanz Flüssigkeit bleibt. Mit diesen 
Eigenschaften hängt es auch zusammen, dass eine Flüssigkeit sich leichter als 
ein fester Körper zertheilen, die Theile aber auch wiederum leichter als beim 
festen Körper sich vereinigen lassen; es scheint sogar, dass, wenn feste Körper 
scheinbar sich vereinigen, dies stets so geschieht, dass die Grenzschichten vorüber- 
gehend flüssig werden (z. B. Regelation von Eisstücken, Lóthung u. s. W.). 
Flüssigkeiten, welche die beiden Eigenschaften der leichten Deformabilitit und 
der schweren Compressibilitát in extremer Vollkommenheit besitzen, d. h. zu deren 
Deformation gar keine Kraft erforderlich und deren Compression überhaupt 
unmöglich ist, heissen ideale Flüssigkeiten — ideal, weil sie nur eine Abstraction 
von der Wirklichkeit sind. Die Theorie dieser idealen Flüssigkeiten ist einerseits 
verhültnismássig einfach, weil von den beiden in die Rechnung eingehenden 
Constanten die eine unendlich klein, die andere unendlich gross wird, beide 
also fortfallen und somit als einzige specifische Constante die auch schon in der 
Mechanik starrer Kórper vorkommende Dichte übrig bleibt; andererseits aber 
sehr brauchbar, weil sie viele an wirklichen Flüssigkeiten beobachtete Erscheinungen 
mit genügender Vollkommenheit darstellt. (S. Art. »Hydrostatik«, »Hydrodynamik« 
u. S. W.). Bei einer weiteren Anzahl von Erscheinungen macht sich die Com- 
pressibilitát immer noch nicht, wohl aber der Widerstand gegen Deformation, 
die sogen. Reibung oder Zühigkeit geltend; mans pricht in diesen Füllen von reiben- 
den incompressiblen Flüssigkeiten, und ausser der Dichte tritt hier noch die 
Reibungsconstante in den Gleichungen auf (s. Art. »Reibung«) In einem dritten 
Capitel der Lehre von den Flüssigkeiten wird schliesslich die Compressibilitàt 
zum eignen Gegenstande der Untersuchung gemacht (s. Art. »Hydrostatik«). 
3. Gase. Dieselben setzen wie die Flüssigkeiten deformierenden Eingriffen 
nur einen sehr geringen Widerstand entgegen; sie haben also wie jene keine 
selbständige Gestalt, und man muss sie in gleicher Weise in Gefässe einschliessen. 
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