Full text: Handbuch der Physik (3. Abtheilung, 1. Theil, 1. Band)

    
    
  
   
  
    
  
  
   
  
   
   
   
  
  
   
  
  
  
   
   
   
    
  
  
  
  
   
   
  
   
  
  
   
   
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
   
  
    
    
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Elasticitat. 215 
theils Veränderungen seiner Gestalt sein; unter Gestalt ist hierbei und in allem 
folgenden stets nicht blos die áussere Gestalt des ganzen Körpers, sondern auch 
die Gestalt seiner einzelnen Theile verstanden, z. B. der unendlich kleinen Paral- 
lelepipeda, in die man sich ihn bei Anwendung rechtwinkliger Coordinaten zer- 
legt denken kann; ein Körper kann daher in diesem Sinne seine Gestalt ändern, 
während die äussere Gestalt, d. h. die Begrenzung, dieselbe beibt. Es ist aber 
(s. Art. »Aggregatzustünde«) bereits darauf hingewiesen worden, dass Flüssigkeiten 
und Gase einen Widerstand gegen Gestaltsánderungen gar nicht oder nur in ge- 
rngem Grade besitzen, sodass bei ihnen von einer natürlichen Gestalt meist 
überhaupt nicht die Rede sein kann. Es kommt daher bei ihnen nur die Volumen- 
elasticitit in Betracht, die Erscheinungen sind wenig mannigfaltüg und die bezüg- 
lichen Untersuchungen gestalten sich demgemáss verháltnismássig einfach. 
Anders bei den festen Kórpern. Hier ist zwar sowohl der Widerstand 
gegen Volumenánderungen als auch der Widerstand gegen Gestaltsánderungen 
im Allgemeinen sehr betrüchtlich, aber beide sind von derselben Gróssenordnung; 
und da bei den meisten Erscheinungen beide Aenderungen zugleich auftreten, 
so ergiebt sich eine grosse Mannigfaltigkeit der Vorgänge und eine grosse Kom- 
plikation der betreffenden Untersuchungen. Noch in einer etwas anderen Weise 
kann man zu derselben Einsicht gelangen. Bei Flüssigkeiten und Gasen pflanzt sich 
ein in irgend einer Richtung ausgeübter Druck (s. o. pag. 213) gleichmässig in 
allen Richtungen fort, so dass die Dimensionen des Körpers bei der Untersuchung 
nicht einzeln in Betracht kommen. Bei festen Körpern ist dies nicht der Fall, 
das Verhalten des Körpers in jeder seiner Dimensionen wird zwar durch die 
Vorgänge in den andern Dimensionen mit beinflusst, bleibt aber doch noch 
selbständig genug, um zu einem für jede Dimension wesentlich andern Ergebnisse 
zu führen. 
Jeder feste Kórper hat einen natürlichen Zustand, in welchem er sich be- 
findet, so lange er keinem Zwange unterworfen ist und sich auch nicht mehr unter 
den Nachwirkungen eines solchen Zwanges befindet. Eine Violinensaite z. B., 
wie man sie beim Händler kauft, befindet sich im natürlichen, auf der Violine 
dagegen, gleichviel ob in Ruhe oder in Schwingungen, im Zwangszustande. Eine 
Glocke andererseits befindet sich, so lange sie in Ruhe ist, im natürlichen Zu- 
stande; im Momente des Anschlags geräth sie in einen Zwangszustand, und 
unter den Nachwirkungen desselben bleibt sie bis zur Beendigung ihrer Schwin- 
gungen. Unterwirft man einen Körper einem Zwang, z. B. indem man Gewichte 
auf ihn wirken lässt, so verändert er sich. Dass er dies mit Widerstreben 
thut, geht einmal schon aus dem Missverhältniss zwischen der erzielten Ver- 
änderung und der angewandten Kraft hervor, in strengerer Weise aber daraus, 
dass der Körper in vielen Fällen wieder in den natürlichen Zustand zurückkehrt, 
sobald er von dem Zwange befreit wird, und dass man, um den veränderten Zu- 
stand aufrecht zu erhalten, den Zwang dauernd bestehen, die Kraft dauernd 
wirken lassen muss. Es ist also unter dem ausgeübten Zwange ein Gleichgewichts- 
zustand eingetreten: die eine der beiden Kräfte, welche sich das Gleichgewicht 
halten, ist die äusserlich angewandte, die andere ist die im Innern des Körpers 
durch die Veründerung wachgerufene Kraft. Diese Kraft ist, wenn zunächst nur 
qualitativ, nicht quantitativ definirt wird, die Elasticität des Kôrpers. Man kann 
also einerseits sagen: Elasticität ist die in einem Körper durch einen 
Zwang wachgerufene innere Kraft. Man kann aber auch, indem man 
statt der inneren die ihr gleiche äussere Kraft einführt, sagen: Elasticität ist die 
äussere Kraft, welche erforderlich ist, um einen Körper in irgend einem Zwangs- 
  
  
 
	        
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