Full text: Handbuch der Physik (3. Abtheilung, 1. Theil, 1. Band)

338 Elastische Nachwirkung. 
wirken in gleichem Sinne mit abnehmender Intensität, bis der Draht in einen 
constanten Zustand gelangt ist. Dann tritt eine dauernde Aenderung der per- 
manenten Torsion nicht mehr bei Spannungsänderung ein.!). 
Belastet man den Draht in diesem Zustande, so tordirt er sich, wie WARBURG 
fand, und kehrt nach Fortnahme der Belastung in seine alte Lage zurück. Der 
Sinn dieser temporären Torsion ist der gleiche wie der Sinn der perma- 
nenten Torsion, welche dem Drahte ertheilt war.?) Diese Erscheinung, welche 
namentlich gut an Kupferdrühten zu beobachten war (bei Messing bemerkte sie 
WIEDEMANN nicht), erklárt WARBURG?) daraus, dass der Draht anisotrop (áolotrop) 
geworden ist. Bei der Torsion findet in Richtungen, die senkrecht zum Radius 
des Querschnittes stehen und == 45° gegen die Axe des Drahtes geneigt sind, 
resp. Compression und Dilatation statt. Der Draht verhält sich, wenn seine 
Substanz diesen Kräften nachgegeben hat, wie ein Krystall des rhombischen 
Systems. Wenn der Grad der Anisotropie auch nicht gleichmässig im Drahte 
vertheilt ist, da die Verschiebungen nach aussen zu grösser sind, so folgt doch 
hieraus die beobachtete Erscheinung; und zwar wäre der Elasticitätsmodul in 
derjenigen Richtung, in welcher permanente Dehnung stattgefunden hat, kleiner, 
als für diejenige, nach welcher die Substanz comprimirt ist.*) — 
SCHRÖDER®) schliesst aus der Aenderung der Ruhelage eines tordirten Silber- 
drahtes bei Temperaturerhôhung, dass auch der thermische Ausdehnungscoëfficient 
in der Richtung der permanenten Dehnung grôsser als in derjenigen der per- 
manenten Compression sel. 
23) Dämpfung. Abhängigkeit von der Amplitude. Einfluss der 
Temperaturänderung. Nach Gauss nnd WEBER soll das logarithmische 
Decrement constant sein, unabhängig von der Amplitude, d. h. die Dämpfung 
in jedem Moment proportional der Geschwindigkeit. W. THOMsoNS) machte auf 
eine Abhängigkeit des Decrements von der Amplitude aufmerksam, später 
tast gleichzeitig STREINTZ”) für Torsionschwingungen und der Referent®) für Trans- 
versalschwingungen von Stäben. In den letzteren Beobachtungen ist aber noch 
der Einfluss der Luftreibung enthalten und es lässt sich daher aus ihnen nach 
der Ansicht des Referenten nicht direct, wie es vielfach geschehen ist, ein Ein- 
fluss der Amplitude aut die innere Reibung folgern. Auch Schwingungen von 
Saiten scheinen mir aus demselben Grunde nicht vergleichbar. Es sei daran er- 
innert, dass WARBURG?) bei Torsionsschwingungen (für den inneren Widerstand) 
grosseres Decrement bei grósserer Schwingungsdauer beobachtete; die stárkere 
Dàámpfung, welche er z. B. in Blei und Kautschuk für die Fortleitung gerade 
der höheren Töne fand, sieht er daher in der Bildung kleinerer schwingender 
Unterabtheilungen begründet. 
1) WIEDEMANN, WIED. Ann. 6, 1l. c. 
?) WARBURG, WIED. Ann. 10, pag. 28. 
3) Auch W. THMOSON, Art. Elasticity. Encyclop. Brit. 1878. 
*) Vergl. weitere Beobachtungen von HiMsTEDT, WIED. Ann, 17, pag. 701. 1882, Er findet 
die Erscheinung allgemein; man hat aber zwei Gruppen von Körpern zu unterscheiden; bei 
den einen giebt Belastung Torsion, bei den anderen Detorsion. Zur letzten Gruppen gehören 
Messing, Aluminium, Nickel. 
5) SCHRÖDER, WIED. Ann. 28. 
6) W. THomson, Phil. Mag. 30. 
7) STREINTZ, PoGG. Ann. 153, L c. 
8) BRAUN, PoGG. Ann. 151, pag. 260. 1874. 
9) WARBURG, PoGG. Ann. 139, pag. 89. 1870. 
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1879. 
  
	        
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