Full text: Handbuch der Physik (3. Abtheilung, 1. Theil, 1. Band)

   
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chw. 1877, 
Wirbelatome. 451 
gewissen Grade ihre Stabilität zeigen, indem man z. B. mit einem Messer 
hindurch schneiden kann, ohne sie zu zertheilen. Neuerdings haben TROWBRIDGE 1) 
einerseits und J. J. THowsoN und NEwarL?) andererseits eine auf tropfbare Flüssig- 
keiten bezügliche Methode benutzt, welche der von REUSCH ganz analog ist. 
Lässt man einen Tropfen Tinte von mässiger Höhe in Wasser fallen, so fällt er 
durch dasselbe als Wirbelring, bleibt dann meist schweben, theilt sich in Seg- 
mente, die selbst wieder Wirbelringe bilden u.s. w; mittelst momentaner Be- 
leuchtung durch elektrische Funken kann man den Verlauf der Erscheinungen 
auch im einzelnen gut verfolgen; statt Tinte und Wasser kann man auch zahl- 
reiche andere Combinationen nehmen, z. B. schwache Silbernitratlósung in 
schwache Kochsalzlósung tropfend. Nimmt man eine Pipette zu Hilfe, so kann 
man die Ringe auch unter der Oberfläche der Flüssigkeit direkt erzeugen. 
Was bei diesen Experimenten hier interessirt, sind die Wirbelerscheinungen 
selbst; was die Erklärung ihrer Entstehung betrifft, bei der namentlich Reibung und 
Oberfláchenspannung mitwirken, so sei auf die Ansichten der obigen Experimen- 
tatoren verwiesen. 
Auch abgesehen von Versuchen dieser Art kann man Wirbel bei den ver- 
schiedensten Vorgängen beobachten; beim Strömen von Flüssigkeiten z. B. 
immer dann, wenn der Querschnitt sich erweitert (Fig. 151, pag. 389), worüber 
RIECKE?) interessante Versuche von KRÜGER mitgeteilt und durch Abbildungen 
veranschaulicht hat; oder wenn der Strömung Hindernisse in den Weg treten 
(Stromschnellen, Strudel, todtes Wasser); ferner bei Flüssigkeitsstrahlen [OBER- 
BECK, BELTRAMI (letzte Abhandlung) u. A.]; endlich beim Ausfluss aus Gefässen 
immer dann, wenn eine noch so kleine Asymmetrie vorhanden ist, sodass die 
Theilchen nicht in Meridiancurven, sondern in Spiralen der Oeffnung zuströmen 
und um die Axe des Gefässes ein hohler Trichter sich bildet. 
Auch halbe Wirbelringe, welche an der Oberfläche der Flüssigkeit enden, 
kann man leicht erhalten; rudert man z. B. oder zieht man einen halb einge- 
tauchten Löffel auf der Oberfläche einer gefüllten Tasse hin und zieht ihn dann 
rasch heraus“), so sieht man ihm zwei entgegengesetzt wirbelnde Strudel folgen; 
es sind dies einfach die Enden eines halben Wirbelringes. In der That hat 
TROWBRIDGE?) dies sichtbar gemacht, indem er als Gefáss einen weissen Porzellan- 
trog benutzte und den Boden desselben beleuchtete; man kann dann die Schatten 
der halben Wirbelringe deutlich verfolgen und zahlreiche interessante Versuche 
anstellen ©). 
In der Natur begegnen uns Wirbelbewegungen im grössten Maassstabe in 
den Wirbelwinden und Cyklonen der Atmosphäre, deren nähere Betrachtung 
jedoch nicht hierher gehört. 
Wirbelatomtheorie. Die Wirbelringe einer idealen Flüssigkeit zeichnen 
sich nach den gemachten Auseinandersetzungen durch die Vereinigung zweier 
einander ergänzender Eigenschaften aus: sie sind einerseits weder dem Entstehen 
noch dem Vergehen unterworfen, und sie weisen andererseits überaus zahlreiche 
Formen auf, mit andern Worten: sie sind von unveränderlicher Quantität und 
dabei von der denkbar mannigfaltigsten Qualität. Dieselben beiden Eigenschaften 
  
!) TROWBRIDGE, Phil. Mag. (5) 3, pag. 290. 1877. 
?) J. J. THoMsoN nnd NEWwaALL, Proc. R. Soc. 39, pag. 417. 1885. 
?) RrECKE, Gótt. Nachr. 1888, pag. 355. 
^4 v. HELMHOLTZ, a. a. O. Schlussworte. 
5) TROWBRIDGE, a. a. O. 
$) S. auch die Abhandlung von REYNOLDS, Proc. Phys. Soc. Lond. 1877. 
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