570 Reaction der Gase.
wurde nun durch Versuche mit Gewehr- und Kanonenkugeln bestätigt, bei welchen
die nach der Schlierenmethode sichtbar gemachte Luftverdichtung durch elektrische
Momentphotographie fixirt wurde; nur zeigte sich, in Folge der abweichenden
Geschossgestalt, statt des Kegels ein Hyperboloid, ferner traten ähnliche, aber
schwächere Grenzen auch am Rande und Boden des Geschosses auf, und schliess-
lich zeigte sich der Kanal hinter dem Geschoss von Wirbeln nachströmender
Luft erfüllt (Fig. 2067). Im übrigen, namentlich hinsichtlich der Berechnung und
der »elektrochemischen« Darstellung der Linien gleichen Drucks, sei auf die ge-
nannten Abhandlungen verwiesen.
Von anderen Problemen des Luftwiderstandes hat namentlich eines seit
NEWTON unausgesetzte Behandlung erfahren und ist kürzlich, mit Hilfe eines von
ScHELLBACH construirten Apparates, durch von TurESEN!) aufgestellte Formeln zu
einem gewissen praktischen Abschluss gebracht worden: Der Luftwiderstand
gegen einen senkrecht zu seiner Axe fortschreitenden oder um eine auf seiner
Axe senkrechte Mittellinie rotirenden Cylinder. Sind / und d Länge und Dicke
des Cylinders, so hat man im ersten Falle, wenn 7 die Geschwindigkeit ist, den
Luftwiderstand
W =10—%7(7252 + 0486 dz? + 00000698 2? 23),
im zweiten, wenn / die Umdrehungszeit ist, das Moment des Luftwiderstandes:
1 d d?
M= 1079 (307 4r 0:599 3 4- 0:000216 7? %) ;
alles in gv, cz, sec ausgedrückt.
Von Apparaten, welche in Folge des Luftwiderstandes eigenthümliche Bahnen
beschreiben, seien hier erwähnt: der Bumarang (eigenthümlich gekrümmtes
und gewólbtes, bei Wilden als Wurfwaffe dienendes Holz), dessen Theorie u. A.
von GERLACH?) behandelt ist; der Tennis-Ball, welchem Lord RavrkicH?) eine
Studie gewidmet hat; der der Schiffsschraube in der Wirkung áhnliche »Flieger«,
der neuerdings auch zu wissenschaftlichen Zwecken vielfach benutzte Drachen,
der Fallschirm, bestimmt die Beschleunigung beim freien Fall in Gleichfórmig-
keit oder gar Verzógerung zu verwandeln u. s. w.
Reaction der Gase. Wie Flüssigkeiten (pag. 400), so können auch Gase,
ausser durch Druck und Widerstand, auch durch Reaction Wirkungen ausüben
und Bewegungen hervorrufen. Ein hierauf beruhender Apparat ist die Aeolipile;
in einem um eine vertikale Axe drehbaren Gefáss wird durch eine untergestellte
Flamme Wasser in Dampf verwandelt, welcher durch einige strahlenfórmig vom
Gefiss auslaufende, am Ende in horizontaler Ebene rechtwinkelig umgebogene
Röhren ausstromt; der ganze Apparat fängt dann an, in entgegengesetzter
Richtung zu rotiren. Während diese Wirkung ziemlich schwach ist, erhält man
sehr kräftige bei Entwickelung von Gasen aus der Verbrennung von Schiesspulver
und ähnlichen Mischungen; hierauf beruht die Feuerwerkerei und insbesondere
die Bewegung der Raketen. Auf die überaus mannigfaltigen Formen, die man
den Feuerwerkskörpern für Kriegs-, Schau- und andere Zwecke gegeben, und auf
die Flugbahnen, die man dadurch erzielt hat, kann hier nicht eingegangen
werden; es sei nur bemerkt, dass die Steighöhe mit zunehmendem Gewichte
der Füllung stark anwächst (einpfündige Raketen gehen unter Umständen 2 bis
3 Zm hoch) und dass die Form der Bahn sich wesentlich von der gewöhnlichen
1) TurEsEN, WIED. Ann. 26, pag. 309. 1885. Daselbst die ältere Literatur.
2) GERLACH, Z. d. Ver. z. Ford. d. Luftsch. 5. 1886.
3) Lord RAYLEIGH, Mess. of Math, 1877; Beibl. 1879, pag. 135.
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