Full text: Handbuch der Physik (3. Abtheilung, 1. Theil, 1. Band)

    
  
   
   
  
   
  
   
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
     
   
  
  
  
  
    
   
   
    
     
     
    
     
   
  
    
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Obertöne. 
Körper eine musikalische Verwendung gefunden hätten. Anders ist es bei den 
gasförmigen Körpern. Denn bei ihnen sind es nur Longitudinaltöne, welche 
überhaupt vorkommen können. Die Obertöne der Luftsäulen, der Orgelpfeifen, 
die Obertöne der grossen Reihe der Blasinstrumente sind daher von hoher Be- 
deutung. Indem wir die einfache Luftsäule einer Orgelpfeife berücksichtigen, 
kommt es darauf an, ob man es mit offenen oder gedeckten Pfeifen zu thun 
hat. Bei offenen Pfeifen lautet das Gesetz der Schwingungszahlen der Obertöne 
so wie bei den Longitudinalschwingungen einer Saite oder eines an beiden Enden 
freien oder festen Stabes. Die Schwingungszahlen verhalten sich wie die Zahlen 
1:2:3:... Aber es muss sofort bemerkt werden, dass bei Orgelpfeifen dies Gesetz 
im allgemeinen nicht streng befolgt wird, dass die Verháltnisse 1:2, 2:83, 3:4 
nur annähernd erreicht werden. Man kann sich davon überzeugen, wenn man 
eine Orgelpfeife so anbläst, dass sie ihren Grundton giebt und hernach durch 
stärkeres Blasen den nächsten Oberton, die höhere Octave herauszubringen sucht. 
Es kann diese Abweichung vom strengen Gesetz nicht auffallen, wenn man be- 
denkt, dass eine Orgelpfeife an beiden Enden verschieden beschaffen ist und der 
Begriff einer »offenen« oder auch der einer »gedeckten« Pfeife ein relativer ist. 
Je nachdem die Labiumóffnung grosser oder kleiner ist, wird die Pfeife mehr 
oder weniger an diesem Ende als offen oder geschlossen gelten können. Ferner 
spricht entschieden hier noch mit die Grósse des Querschnitts der Pfeife zu 
ihrer Länge sowie beider Dimensionen zur Weite und sonstigen Einrichtung 
des Labiums. So zeigte es sich, dass eine engmensurirte offene Holzpfeife von 
588 mm Länge und einem quadratischen Querschnitt mit einer Seitenlänge von 
20 mm die ersten vier Obertône fast genau im Verhäliniss 1:2:3:4 gab. Eine 
andere Pfeite, cylindrisch, 585 mm lang bei einem Durchmesser von 50 zm gab 
ihren Grundton mit 260, den nächsten Oberton dagegen nicht mit 520, sondern 
mit 552 Schwingungen. 
In früherer Zeit bestanden die Blechblaseinstrumente in einer längeren oder 
kürzeren engen Róhre, die nur nach dem einen Ende hin sich trichterfórmig 
erweiterte. Die verschiedenen Töne, welche ein solches Instrument geben konnte, 
waren nur die »natürlichen« Obertóne, also diejenigen, welche wir bis da- 
her als solche kennen lernten. Die hóheren Obertóne lagen so nahe, dass 
sie nur um Stufen der diatonischen bezw. chromatischen Tonleiter von ein- 
ander abwichen. Solche Obertóne nannte man daher auch »Naturtóne« und 
pflegt man auch jetzt noch von einer »Naturtrompete« zu reden, d. h. einer 
solchen, welche aus einem continuirlichen Luftrohr ohne Klappen oder Ventile 
besteht. Diese Naturinstrumente haben im Laufe der Jahrzehnte mehr und mehr 
andern Platz machen müssen, nämlich den Ventil- und Klappeninstrumenten 
Bei diesen ist der Luftkanal an bestimmten Stellen ähnlich wie schon lange bei 
den Holzblaseinstrumenten, der Flöte u. s. w., durch Löcher unterbrochen, die 
ihrerseits wiederum durch Ventile oder Klappen geöffnet oder geschlossen werden 
können. Man erreicht beim Oefinen einer solchen Klappe ein Luftrohr mit 
kürzerer Länge und werden die höheren Töne mechanisch auch leichter zu er- 
halten sein, als wenn der Bläser aus einem langen Rohr diesen oder jenen Ober- 
ton herausblasen soll. Ob hiermit aber nicht eine gewisse Charakterverschiedenheit 
der Töne und zwar häufig zum Nachteil der Ventilinstrumente eintritt, mag dahin 
gestellt bleiben. 
7) Ebenso wie das System der Obertöne bei den nur longitudinal schwingenden 
Luftsäulen eine bedeutungsvolle Sache ist, zeigt sich dasselbe auch bei den 
transversalschwingenden Körpern, vor allem bei den Saiten von Bedeutung,
	        
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