Full text: Handbuch der Physik (3. Abtheilung, 1. Theil, 1. Band)

  
  
  
  
   
770 Zusammenklang der Töne. 
soll. An und für sich entscheiden also die Obertöne zur Aufstellung des Be- 
griffes einer Con- oder Dissonanz gar nicht, vielmehr besteht die Thatsache, dass 
das Verhältniss 1:2 oder 2:3 u. s. w. auch ohne jede Spur einer Wahrnehmung 
von Obertónen seit Alters her als ein dem Ton-Gefühl nicht widersprechendes 
angesehen wird. 
9) Die tongebenden Kórper unterscheiden sich nach dem Vorausgehenden 
nach zwei Richtungen, nämlich als solche, welche sogenannte »harmonische« 
und solche, welche »unharmonische» Obertóne besitzen. Die ersteren Kórper 
spielen allein bei der Construktion derjenigen Instrumente eine solche Rolle, dass wir 
die letzteren im strengeren Sinne als »musikalischeInstrumente« bezeichnen 
können. Es sind dies die »Saiteninstrumente« und die »Blasinstrumente«. 
Erstere, bei welchen Saiten mit ihren Transversalschwingungen verwendet werden, 
besitzen am reinsten Obertóne, welche sich wie die Zahlen 1:2:3... verhalten. 
Die Blasinstrumente thun dies auch, aber im allgemeinen nicht so rein und liegt 
darin schon ein Grund, wesshalb letztere im musikalischen Sinne nicht auf der- 
selben Rangstufe wie die Saiteninstrumente anzunehmen sind, eine Thatsache, 
welche bereits das Alterthum zu würdigen verstand. Denn der Streit des Apollo 
mit dem Marsyas, d. h. der Leyer mit der Flóte, welcher zu Ungunsten des 
Letzteren entschieden wurde, ist bekannt. Die Instrumente mit unharmonischen 
Obertónen, z. B. die Trommel, die Pauke, die Becken, der Triangel u. s. w. sind 
zwar nicht gänzlich von der Theilnahme im Concerte der eigentlichen musikali- 
schen Instrumente ausgeschlossen, aber sie spielen doch nur eine untergeordnete 
Rolle. Sie dienen nur bei bestimmten Gelegenheiten und bestimmten Momenten 
dem Tondichter zur Erzielung besonderer Effekte, welche sich allerdings dann 
nur durch solche Instrumente erzielen lassen. 
Diese Thàtsachen verweisen uns nun wiederum speciell auf die Zahlenreine 
1:2:3:4:5:678..- 
Eine etwas lange Saite lässt die Obertóne dieser Reihe hóren und fühlt sich 
das Ohr hierbei wohl. Die Aeolsharfe ist ein solcher Obertóne-Apparat und 
wissen wir, dass derselbe von zauberhafter Wirkung auf unser Ohr ist. Auch 
APPUNN hat einen sogenannten »Obertóneapparat« construirt, bei welchem 
die tongebenden Kórper Harmonikazungen sind. Jei einem dieser Apparate 
giebt der tiefste Ton 32 Schwingungen und reihen sich an ihn dann weitere 64 
Obertöne. Man kann nun den interessanten Versuch machen und die oben am 
Schlusse von Abschnitt 5 aufgeführten 16 Obertöne zu gleicherzeit ertönen 
lassen. Man erhält hierbei nur Töne des Dreiklangs c-e-g und fühlt sich das Ohr 
einer solchen Klangmasse gegenüber sehr wohl. Ja es würde noch mehr sich 
befriedigt fühlen, wenn jeder Harmonikaton ein einfacher Ton wäre, während 
man doch weiss, dass solche Harmonikatöne je für sich wiederum Obertöne und 
zum Theil unharmonische, wenn auch schwache, im Gefolge haben. Ganz anders 
fällt aber das Experiment aus, wenn wir z. B. 16 Untertasten des Claviers auf 
einmal mittelst einer Latte niederdrücken oder auch nur die Hälfte von dieser 
Zahl auf einander folgender Tasten bewegen. Das Ohr empfindet hierbei ein 
vollständiges Geräusch und wird von einer solchen Tonmasse beleidigt. Diese 
beiden Thatsachen lassen sich in folgenden zwei wichtigen Sätzen zusammenfassen. 
Erster Satz. Wenn eine Tonmenge zum Ohre gelangt, deren ein- 
zelne Componenten als der Reihenfolge der Töne 1:29:3:4:5: 6:5 
und deren Verdoppelungen entsprechendangesehen werden kónnen 
und wobei auch einzelne Componenten fehlen kónnen, so wird selbst 
     
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
	        
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