Full text: Handbuch der Physik (3. Abtheilung, 1. Theil, 2. Band, 1. Abtheilung)

96 Die künstliche Erweiterung der Abbildungsgrenzen. 
Die künstliche Erweiterung der Abbildungsgrenzen. 
(Theorie der sphárischen Aberrationen.) 
Im Vorangehenden ist gezeigt, dass und in wie weit durch Brechung dünner 
Büschel an Kugelflächen eine Abbildung zu Stande kommt. Unter den gemachten 
Annahmen zeigte sich diese Abbildung als eine relativ sehr beschränkte: bei 
centraler Brechung war es nur ein fadenförmiger, die Axe des Systems umge- 
bender Raum, in welchem allein eine »Abbildung« in unserem Sinne stattfand, 
und dieselbe kam nur zu Stande durch Büschel von unendlich kleiner Winkel- 
öffnung. Die Strahlenvereinigung war dann von der zweiten Ordnung. 
Bei schiefer Brechung war das Bereich der Abbildung noch mehr eingeengt; 
man konnte von einer solchen nur reden, wenn man jeweilig gewisse ebene 
(zweidimensionale) Büschel in Betracht zog. Die Strahlenvereinigung war für die 
eine Art von Büscheln sogar nur von der ersten Ordnung; um eine gleiche 
Genauigkeit der Strahlenvereinigung zu haben wie im anderen Fall, müsste die 
Oeffnung dieser Büschel also entsprechend noch mehr eingeengt werden. Das 
räumliche Büschel gab bei schiefem Einfall eine Abbildung, d. h. ein punktweises 
Entsprechen zweier Raumgebiete eigentlich überhaupt nicht mehr. Diese, 
gewissermaassen eo ipso stattfindende Abbildung wäre nun für alle praktischen 
Zwecke gänzlich unzureichend. Die Bilder, welche sie ergiebt, sind ja einerseits 
unendlich klein bezw. es wird von einem gegebenen Objekt nur ein der Theorie 
nach unendlich kleiner Theil deutlich abgebildet. Andererseits können wir 
— unter Vorausnahme dieser später näher zu definirenden und zu erörternden 
Begriffe — auch schon jetzt schlechthin feststellen, dass die von »unendlich 
dünnen« Büscheln entworfenen Bilder unendlich lichtschwach wären und dass 
die »Bildpunkte« so enger Büschel, gemäss der Wellentheorie, als die Beugungs- 
wirkung entsprechend eng begrenzter Wellenflächen aufgefasst, statt Punkte viel- 
mehr unendlich grosse Scheiben wären. Die von benachbarten Punkten des 
Objekts herrührenden Bildscheiben würden sich überdecken, statt eines scharfen 
Bildes, statt eines punktweisen Entsprechens würde also eine völlige Confusion 
entstehen, in welcher keinerlei Detail mehr erkennbar wäre. 
Wenn wir andererseits die Oeffnung der abbildenden Strahlenbüschel ohne 
weiteres steigerten, so würde, wie wir früher bereits flüchtig angedeutet haben, 
die Strahlenvereinigung im geometrischen Sinne mehr und mehr unvollkommen 
und aus diesem Grunde die Abbildung aufgehoben. 
Aus diesem Dilemma zwischen anscheinend einander widersprechenden 
Anforderungen helfen wir uns auf drei, zum Theil zusammengehenden, Wegen. 
Der eine beruht auf der Unempfindlichkeit, d. h. beschränkten Sehschärfe 
unserer Augen, der zweite darauf, dass nach den Normen der physischen Optik 
die Grenzen der Beschränktheit für die eo ipso statthabende Abbildung füglich 
um ein beträchtliches Stück hinausgeschoben werden dürfen, der dritte und 
wichtigste endlich in der Möglichkeit, durch geeignete Combination optischer 
Systeme solche zu erhalten, an denen die früher constatirten Beschränkungen der 
  
  
 
	        
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