Grundlagen für die Möglichkeit einer Erweiterung, 97
Abbildung zum Theil — und unter Umständen bis zu einem sehr erheblichen
Grade — beseitigt sind.
ad 1) Alle Bilder sind in letzter Linie dazu bestimmt, dem Auge dargeboten
zu werden. Dieses — selbst ein optischer Apparat, dessen nähere Einrichtung
wir an späterer Stelle beschreiben werden — isı vermöge dieser seiner physika-
lischen und ebenso vermöge seiner anatomischen und physiologischen Natur auch
seinerseits in seinen Leistungen mannigfach beschränkt. Unter anderem ist —
unabhängig von aller weiteren Kenntniss seines Baues und seiner Funktionen —
leicht die Thatsache festzustellen, dass das Unterscheidungsvermögen des
Auges gewisse, wenn auch individuell etwas schwankende, Grenzen nicht über-
steigt. Objekte — seien es selbst- oder mittelbarleuchtende, seien es ihrerseits
optische Bilder, — welche dem Auge unter einem Sehwinkel dargeboten werden,
der eine gewisse untere Grenze nicht erreicht, vermag es weder ihrer Form
noch der Grósse nach von einander, also auch nicht von idealen »Punkten»
zu unterscheiden ?).
Die genannte Grenze mag ausser von dem Individuum noch von ver-
schiedenen anderen Umständen (Helligkeit, Farbe des Objekts u. dergl)
abhängen — dies ist für uns hier ohne Belang — genug, es existirt eine
solche. Ihr Vorhandensein aber entbindet uns von der Verpflichtung, behufs
optischer Abbildung ideale Punkte herbeizuführen; wir können uns damit
begnügen, das Bild aus Flecken bestehen zu lassen, deren Grösse nur
unterhalb jener — wie gesagt von mehreren Umständen abhängigen — Grenze
liegt.
Diese Erleichterung werden wir verschieden auslegen, je nachdem wir uns
auf den Standpunkt der physischen oder der rein geometrischen Optik stellen.
Gemäss letzterem würde hiernach eine Abbildung auch dann noch praktisch
genügend sein, wenn die Strahlen nicht genau homocentrisch vereinigt werden,
sondern statt eines Kegels ein Conoid bilden, dessen engste Einschnürung ein
gewisses Maass nicht überschreitet. Statt des Bildpunktes würde dann der
Querschnitt jener engsten Einschnürung, der »Kreis der kleinsten Verundeut-
lichung« functioniren. Demgemáss würde es erlaubt sein, bei jeder durch
Brechung an sphärischen Flächen vermittelten Abbildung die Oeffnungen der
wirksamen Büschel bis zu einer gewissen — von den Umstánden des einzelnen
Falls abhängigen — Grösse ohne weiteres zu vermehren.
Gemäss der Undulationstheorie würden diesem Schlusse Bedenken entgegen-
stehen. Denn bei ihm ist stillschweigend angenommen, dass auch in dem end-
lichen Querschnitt nicht homocentrischer Strahlen eine Lichtwirkung entstehe,
ganz ebenso als wenn jeder Strahl schlechthin Träger von Licht sei. Diese An-
nahme, welche gewissen Untersuchungen in ganz ungerechtfertigter Ausdehnung
zu Grunde gelegt ist, können wir aber durchaus nicht ohne weiteres anerkennen.
Es bedarf besonderer, nach den Methoden der Diffraktionstheorie ange-
stellter Untersuchung darüber, welcher Art die Lichtwirkung nicht homocentrischer
Strahlen, d. h. nicht sphárischer Wellen auf irgend eine Einstellungsebene ist.
Wir verdanken solche Untersuchungen ArRv?) und mit besonderer Berücksichtigung
der uns hier interessirenden Frage Lord Ravieica3). Dieselben sind noch lange
1) S. die Lehrbiicher der physiologischen Optik, z. B. das von HELMHOLTZ, 2. Aufl., 8 18.
?) Cambridge Phil. Trans. vol. VI. 1838.
3) Phil. Mag. 9, pag. 410. 1879.
WINKELMANN, Physik. 1I. 7
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