Längs- und Seitenaberration. Zerstreuungskreis. 103
aus den gegebenen Elementen des einfallenden Strahls — zu welchen auch a
gehört — die des austretenden, also a’, zu berechnen.
Die Werthe und Vorzeichen von a und von a’ sind, wie aus ihren Einführungs-
gleichungen hervorgeht, ganz besonders charakteristisch für Art und Grösse der
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sphirischen Aberration. Es ist a = — und ebenso a'— A Bei gleichem
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Oefinungswinkel z des Büschels ist, also a ein unmittelbarer Ausdruck für die
Differenz der Schnittweiten vom Rand- und Axenstrahl des Büschels, die sogen.
Längs- oder Longitudinalaberration.
Bei einer einzelnen nach dem Lichte zu convexen Fläche und ebenso bei
relativ dünnen Collektivlinsen ist, für parallel einfallendes Licht wenigstens stets,
s'< s,'. Man spricht dann von sphärischer »Untercorrektion«. Umgekehrt bei
einer nach dem Lichte zu concaven Fläche oder dünnen Dispansivlinse.
Das einfallende Büschel mag homocentrisch sein oder in irgend welchem
Grade selbst unter- bezw. übercorrigirt, durch eine einmalige collektive Brechung
wird es — bei parallelem Einfall wenigstens stets — nach der Richtung der
Untercorrection, durch eine einmalige dispansive Brechung nach der Richtung der
Uebercorrection verändert.
Das Vorzeichen von a bezw. a' lässt nun unmittelbar erkennen, ob das be-
treffende Büschel unter- oder tibercorrigirt ist. Denn mag der Vereinigungpunkt
des Büschels reell oder virtuell sein, ein negativer Werth von a bezw. a
bedeutet Unter-, ein positiver Werth Uebercorrection.
Denkt man sich die Gesammtheit der Strahlen des betr. Büschels gezeichnet,
etwa wie in Fig. 304, pag. 32, so erhált man als Einhüllende sámmtlicher Strahlen
ein Stück von deren Brennflüche. Diese Brennflüche bildet nun, wie man sich
leicht überzeugt, bei negativem Werthe von a (sphärischer Untercorrection) einen
nach dem einfallenden Lichte hin offenen Kelch >, bei positivem a (Ueber-
correction) einen umgekehrt gelegenen <.
Seitliche Aberration. Zerstreuungskreis. Bei einem nicht homocen-
trischen Büschel ist es innerhalb ziemlich weiter Grenzen a priori ganz ungewiss,
an welche Stelle der Axe das eigentliche Bild zu verlegen sei, d. h. welche
Stelle der Axe bei der Beobachtung faktisch als Bildort aufgefasst werde. Hier-
über sind wohl mehrfache Hypothesen aufgestellt und mit mehr oder minder
ansprechenden Wahrscheinlichkeitsgründen gestützt worden!) aber weder ist eine
genügend exakte experimentelle Prüfung derselben erfolgt, noch sonst eine
Einigkeit in diesem Punkte herbeigeführt worden.
Wie ich schon früher hervorhob ist nach meiner Meinung die theoretische
Lósung auch dieser Frage überhaupt nicht auf dem Boden der geometrischen,
sondern dem der physischen Optik anzustreben, was bisher meines Wissens nir-
gends geschehen ist. Mir scheint gerade als sicher, dass nicht schlechthin die
engste Einschniirung des austretenden Lichtbüschels als Bild aufgefasst wird,
sondern dass es — wie wohl zuerst Gauss hervorgehoben hat (s. weiter unten
»Aberration hóherer Ordnung«) — auf die Vertheilung der Intensität inner-
1) S. die in der Literaturübersicht angeführten Werke. Die meisten Autoren verlegen die
Bildebene in die engste Einschnürung des Strahlenconoids. Vergl. auch CzaPskKr, Zeitschr f.
Instrkde. 8, pag. 203. 1888.