Geschwindigkeit des Lichts.
1) Allgemeines. Ob das Licht Zeit braucht, um den Raum zu durch-
messen, ist eine Frage, deren Aufwerfung ebenso nahe liegt, wie ihre Beant-
wortung schwierig, ja fast unmöglich erscheint. Es ist daher nicht zu verwundern,
dass ihre erste Lösung bei dem Studium scheinbar ganz fernliegender Fragen
erfolgte, nämlich bei Gelegenheit zweier bestimmter Arten von astrono mischen
Beobachtungen. Erst viel später gelang es, auch im Bereiche der Erdober-
fläche, ja schliesslich sogar im Raume eines Zimmers nicht nur zu zeigen, dass,
sondern auch zu messen, welche Zeit das Licht braucht, um eine bestimmte
Strecke zurückzulegen. Dieser Erfolg hat übrigens, ausser der unmittelbaren, noch
manche andere, nicht minder wichtige Bedeutung, insofern nämlich die Frage
nach der Lichtgeschwindigkeit mit anderen hervorragenden physikalischen und
astronomischen Problemen in innigem Zusammenhange steht. Das erste derselben
betrifft die Entscheidung zwischen Emissionstheorie und Undulationstheorie des
Lichtes; in optisch dichteren Stoffen, d. h. Stoffen von grösserem Brechungs-
exponenten, muss sich nämlich das Licht nach jener Theorie rascher, nach
dieser hingegen langsamer fortpflanzen, als in optisch dünneren Mitteln;
da sich nun die letztere Alternative als die richtige herausstellte, so war
in der Mitte dieses Jahrhunderts der schon durch die Entdeckung der Inter-
ferenzerscheinungen nahezu gesicherte Sieg der Undulationstheorie end-
giltig entschieden. Zweitens ist die Lichtgeschwindigkeit zusammen mit der
sogen. Aberrationsconstanten und der Sonnenparallaxe (von der wiederum der
mittlere Abstand der Erde von der Sonne und die mittlere Bahngeschwindigkeit
der Erde abhängt) eine der drei Grössen, die sich gegenseitig bestimmen, sodass,
wenn man die Lichtgeschwindigkeit auf selbständigem Wege bestimmt, man die
Entfernung der Sonne berechnen kann; und es lässt sich schon jetzt die
Vermuthung aussprechen, dass sich auf diesem Wege einmal ein genauerer Werth
als der aus Venus- oder Marsbeobachtungen berechnete ergeben wird. Drittens ‘
endlich ist die Kenntniss der Endlichkeit und der Grösse der Lichtgeschwindig-
keit eine wichtige Grundlage für allgemeine physikalische Erörterungen, wie bei-
spielsweise für die Vergleichung akustischer, elektrischer und optischer Schwin-
gungen, sowie für die Frage nach der Natur und dem Verhalten des Aethers in
den verschiedenen Körpern.