Astronomische Methoden. 5
parallaktischen Charakters war; sie erfolgte nämlich nicht in der der augenblick-
lichen Bewegung der Erde entgegensetzten, sondern in der gleichen Richtung; sie
war ferner nicht in denjenigen Punkten der Erdbahn am grössten, in denen die
Erde sich in der Richtung zu dem Stern hin oder von ihm fortbewegt, sondern
in den beiden, gerade in der Mitte zwischen jenen gelegenen Punkten, wo die
Bewegungsrichtung der Erde und die Richtung nach dem Stern auf einander
senkrecht stehen, und sie war drittens nicht für alle Sterne verschieden, sondern
gleich gross für alle ‚diejenigen Sterne, die in der gleichen Höhe über der Ekliptik
liegen, wührend auch für verschieden hohe Sterne die grosse Axe der, eine kleine
Ellipse bildenden, scheinbaren Verschiebung stets dieselbe war. Diese Umstände
liessen. schon BRADLEY erkennen, dass es sich hier um eine ganz andere Er-
scheinung, die sogen. Aberration des Lichtes handelt. Làsst man einen Stein
durch eine senkrechte Röhre fallen, während man diese gleichzeitig parallel mit
sich verschiebt, so ist die Falllinie keine der Röhrenaxe parallele, sondern eine
von vorn oben nach hinten unten geneigte Gerade. Da nun, wie der Stein zum
Fallen, so das Licht zum Durchmessen des Raumes Zeit braucht, und da, wie
dort die Röhre, so hier die Erde in Bewegung begriffen ist, so muss der Stern
eine Verschiebung, also die Richtung nach ihm eine Drehung aufweisen, und
dieser Winkel muss am grössten sein, wenn die Erde senkrecht zur Sehrichtung
fortschreitet!). Für dieses Maximum, die allen Gestirnen gemeinsame Aber-
rationsconstante a fand BRADLEYy 20:25", STRUVE?) 207445", und nach den
neuesten Berechnungen von GiLL?) ergiebt sich als bester Mittelwerth 20:496",
pute. A à 1 E 9 ;
mit einem wahrscheinlichen Fehler von 1000 bis 1000: Nennt man nun z die Ge-
schwindigkeit der Erde in ihrer Bahn, 7' die Umlaufszeit, also das siderische
Jabr, so hat man offenbar
u 9z AR 2x7
= lang a = Ttang a = Ttang a tang e’
und dies giebt mit den obigen neuesten Werthen
V = 298200 Am;
die Genauigkeit hängt wieder von der am unsichersten bekannten Sonnenparalaxe e
ab und beträgt daher wie bei der vorigen Methode 3 bis 1 %.
Im Mittel aus den beiden astronomischen Methoden!) ergiebt sich schliesslich
V — 297650 £m.
4) Methode von Fizeau. Der Erste, welcher auf rein physikalischem Wege
die Lichtgeschwindigkeit constatirte und, wenn auch zunächst (1849) nur annähernd,
ermittelte, ist FizEAU?) Das Princip der Methode ist folgendes. Von einer
kräftigen Lichtquelle wird durch ein geeignetes Linsensystem ein Bild entworfen,
die von diesem ausgehenden Strahlen werden durch eine weitere Linse parallel
gemacht, sie fallen, nachdem sie eine grosse Strecke zurückgelegt haben, wieder-
um auf eine Linse, convergiren nach einem kleinen Hohlspiegel von derartiger
Krümmung und Aufstellung, dass sie, als Strahlensystem im Ganzen betrachtet,
1) Ueber die Zulässigkeit des hier gemachten Vergleichs des Lichts mit einem materiellen
Kórper s. w. u.
2) STRUVE, Recueil und Mém. de l'Ac. de St. Pétersbourg 1844.
3) GILL, s. RAYLEIGH, a. a. O.
1) Eine dritte, auf Marsbeobachtungen beruhende Methode ergab 302000 km. — LIAIS,
Compt. rend. 60, pag. 174. 1865. — Eine vierte, auf der Veränderlichkeit des Sterns Algol
basirende, ergab 295000 £x. — CxarLIER, Oefv. kgl. Ak. Vorh. Stockh. 46, pag. 523. 1889.
?) FizEAU, Compt. rend. 29, pag. 90. 1849. — Pocc. Ann. 79, pag. 167.