188 Die Begrenzung der Strahlen und die von ihr abhängigen Eigenschaften.
individuell verschieden und hängt von mehreren Momenten physikalischer und
physiologischer Natur ab (Intensität des Bildes, Farbe, Erregungszustand, Stelle
der Netzhaut etc.), auch von der Beschaffenheit des beobachteten Bildes, seiner
Struktur, Intensitätsdifferenzen u. s. w. Mittleren Verhältnissen entsprechen Seh-
schärfen von 1' bis 5'. Im übrigen aber hängt die Focustiefe nur ab von
seinem Vergrösserungsvermögen (Brennweite) und Oeffnungswinkel.
Der Constructionstypus, die Zusammensetzung des Systems aus
Objektiv und Ocular und die Vertheilung der Functionen auf diese
sind völlig ohne Einfluss auf sie. }
Das Reciproke der Focustiefe ist das Maass für die Einstellungs-
genauigkeit (Focussirungsempfindlichkeit) eines Systems. Denn offenbar ist
man desto besser im Stande, die richtige Lage eines Systems gegen Objekt und
Bild zu finden (d. h. diejenige Lage, bei welcher es ein gegebenes Objekt an be-
stimmter Stelle abbildet) je grösser der Zerstreuungskreis ist, welcher bei einer be-
stimmten Verschiebung des Objekts gegen das System — oder umgekehrt —
entsteht.
Accommodationstiefe. Bei den zu subjektiver Beobachtung benutzten
Instrumenten, in welchen das Bild nicht auf einem physischen Schirm sondern
in der Luft schwebend beobachtet wird kommt bei der Betrachtung dieses Bildes,
ebenso wie bei der eines körperlichen Objektes, die Accommodation des Auges
der Auffassung der Tiefe noch zu Hilfe. An den Bereich, welcher vermöge der
Accommodation scharf übersehen werden kann, gliedert sich dann beiderseits der-
jenige, in welchem trotz der Focusdifferenz die Zerstreuungskreise noch unter der
Grenze der Sichtbarkeit bleiben. Die gesammte Sehtiefe ist also die Summe der
Accommodations- und der Focustiefe.
Bei Systemen grösserer Apertur wird jedoch, wie wir wiederholt hervor-
gehoben haben, streng genommen überhaupt nur eine einzige Ebene scharf ab-
gebildet, d. h. mit wachsender Apertur beschränkt sich der Bildraum in Folge
der ausserhalb der aplanatischen Punkte von selbst nothwendig eintretenden
Aberrationen immer mehr, so dass im Bilde immer weniger Spielraum für die
Accommodation bleibt. Durch diesen Umstand wird die Accommodationstiefe —
welche ohnehin mit wachsender Vergrösserung in immer geringerem Maasse zur
Tiefenwahrnehmung beiträgt — in noch höherem Grade als es die betreffenden
Formeln ausdrücken, verringert !).
Wir kónnen nun diejenige Tiefe des Objektraums berechnen, welche durch
Accommodation bei ungeünderter Einstellung sichtbar gemacht würde, wenn den
Punkten jenes Objektraumtheils scharfe Bildpunkte entsprüchen. Ist diese Tiefe
geringer als diejenige, innerhalb welcher die Zerstreuungskreise durch Aberration
das zulüssige Maass erreichen, so ist sie in der oben angegebenen Weise als wirk-
sam anzusehen; ist sie aber grosser als jene, so ist die Gesammttiefe derjenige
Raum, innerhalb dessen die Summe der durch Aberration und Focusdifferenz
herbeigeführten Zerstreuungskreise den festgesetzten Grenzwerth erreicht.
Ist £y' die Entfernung des sogen. »Nahepunkts« vom Auge, d. h. die kleinste
Entfernung, auf welche dieses scharf accommodiren kann, £p" der Abstand des
I) Auf diesen Umstand und nicht auf einen solchen physiologischer oder psychischer Natur
ist wohl auch die neuerdings von NELSON statuirte »Paralysirung der Accommodation« zurück-
zuführen. S. Journ. R. Soc. (2), pag. 331. 1892.