Die Hauptgattungen der optischen Instrumente.
II. Das zusammengesetzte Mikroskop.
An sich wäre kein Grund gewesen, auf dem eingeschlagenen Wege nicht
noch weiter zu gehen und durch Zusammensetzung des Systems aus mehreren
geeignet angeordneten Linsen von verschiedenem Brechungsvermógen und ver-
schiedener Dispersion die sphärischen und chromatischen Fehler nach dem Prin-
cip der gegenseitigen Compensation vollständig aufzuheben, ja sogar dies unter
Erzielung genügend grosser Linsenöffnungen, ganz ebenso wie das in den Ob-
jektiven der modernen Mikroskope thatsächlich geschieht. In der That werden
wir bald zeigen, dass diese Objektive im Wesentlichen nichts anderes sind als
gut corrigirte Lupen (einfache Mikroskope) von kurzer Brennweite und relativ
grosser Oeffnung.
Wenn man sich trotzdem behufs Erzielung hoher Vergrösserungen von jenem
Wege abgewandt, und seit den 30er Jahren dieses Jahrhunderts mehr und mehr,
seit der Mitte des Jahrhunderts sogar ausschliesslich der Benutzung bezw. Ver-
vollkommnung des schon vor nunmehr ca. 300 Jahren erfundenen zusammen-
gesetzten Mikroskops zugewandt hat, so müssen die Gründe hierfür ander-
wärts zu suchen sein. Als solche Gründe konnten schon zu jener Zeit die
folgenden geltend gemacht werden.
Vorzüge des zusammengesetzten Mikroskops vor dem einfachen.
1) Durch die Zusammensetzung eines Systems aus zwei andern, um einen
endlichen Abstand getrennten, erhält man gemäss den pag. 60 ff. dargelegten
Gesetzen ein neues System, dessen Brennweite / in einem beliebigen Verhältniss
kleiner ist, als die seiner Bestandtheile /,, /,, wenn man den Abstand zwischen
den einander zugewandten Brennpunkten dieser Partialsysteme, 7,' F, — A,
welchen AsBE als die optische Tubuslánge bezeichnet, entsprechend gross
wählt. Wir fanden pag. 61 die vordere Brennweite des combinirten Systems
fom n5 die hintere analog f'= + Z^.
(1)
Man kann hiernach z. B. ein System von 1 z/& Brennweite erzielen durch
Combination zweier anderer von je 10 mm Brennweite, deren zugewandte Brenn-
punkte um 100 mm von einander entfernt sind. Diese Vertheilung der dioptri-
schen Fundamentalwirkung auf zwei Partialsysteme von beiläufig 5—20fach
grösseren Dimensionen würde auch unter sonst gleichen Umständen handgreif-
liche Vortheile schon für die technische Ausführung bieten.
2) Ein andrer praktischer Vortheil, der ohne weiteres mit der Trennung in
zwei gesonderte Bestandtheile verbunden ist, besteht darin, dass hierdurch das
Objekt in grössere Entfernung vom Auge bezw. Gesichte des Beob-
achters gerückt wird. Die grossen Unbequemlichkeiten und Beengungen
im Gebrauch des Mikroskops, ja sogar die Gefahr, welche unter Umständen für
den Beobachter in dessen grosser Nähe am Auge beruht (z. B. bei Erwärmung,
elektrischer Erregung oder dergl. des Objekts) bedürfen wohl kaum einer weiteren
Erläuterung.
3) Nicht nur der Abstand des Objekts vom Auge, sondern auch der-
jenige von der Vorderfläche des Objektivs wird durch die Zusammensetzung
des Mikroskops aus zwei getrennten Bestandtheilen und die dadurch ermöglichte
haupt sehe man in den älteren der unten angeführten mikrographischen Werken, insbesondere:
H. v. Monr, Mikrographie, Tübingen 1846, pag. 36, und P. HARTING, Das Mikroskop. Braun-
schweig 1859, I, pag. 91—118, u. III. (Geschichte etc. des Mikroskops), pag. 569 ff.
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