Full text: Handbuch der Physik (3. Abtheilung, 1. Theil, 2. Band, 1. Abtheilung)

344 Dioptrik in Medien mit continuirlich variablem Brechungsindex. 
Sauerstoff, die Atomrefraction dieser Elemente sich um einen bestimmten Be- 
trag erhöht, wenn mehr als eine Valenz des betreffenden Elements mit einem 
benachbarten Atom desselben Elements verbunden ist. Nachdem der Einfluss 
solcher Bindungen erkannt und festgestellt war!) hat die Molecularrefraction 
auch umgekehrt mehrfach zur Erforschung der chemischen Constitution von 
Substanzen Verwendung gefunden. Indessen muss bemerkt werden, dass gegen 
die Benutzbarkeit der Molekularrefraction für Constitutionsbestimmungen wieder- 
holt lebhafter Widerspruch laut geworden ist?). 
Es sei zum Schluss noch auf die Arbeiten von GLADSTONE (Phil. Mag. 1870 
und 1885), SonET (Arch. des sc. ph. et nat, Genéve 1884 bis 1888) u. Anderen 
hingewiesen, durch welche auch für die Kórper der anorganischen Chemie ein 
Zusammenhang der Molecularrefraction mit der chemischen Zusammensetzung 
nachgewiesen ist. PULFRICH. 
Dioptrik in Medien mit continuirlich. variablem 
Brechungsindex. 
A. Allgemeines. 
Das vorliegende Capitel der Lehre vom Licht besitzt im Allgemeinen für 
Medien mit stetig veránderlichem Brechungsindex dieselbe Aufgabe, wie die 
vorangehenden Capitel für Medien, deren Indices in einer Reihe aneinander- 
grenzender Ráume in jedem derselben constant, dagegen von Raum zu Raum 
endlich verschieden sind. Aber mit der Gleichheit der Aufgabe ist nicht die 
Gleichheit der Grundlagen verbunden. Denn die eine derselben, die Geradlinig- 
keit der Strahlen im selben Medium, kommt selbstverstindlich hier nicht in 
Betracht, die andere aber, das Brechungsgesetz, ist weder noch kann es der 
Natur der Sache nach überhaupt direkt experimentell erhärtet sein. Wir müssen 
also betreffs der Richtungsbeziehung zwischen zwei aneinandergrenzenden Elementen 
des einen Strahles auf indirektem Wege den Nachweis liefern, dass der analytisch 
vollziehbare Grenzübergang auch physikalisch zulässig ist, da andernfalls die 
Anwendungsfähigkeit auf Naturerscheinungen hinwegfiele und das Kapitel in das 
Gebiet der reinen Mathematik gehören würde. Jener Nachweis ist nun von 
vornherein in zweifacher Art möglich, nämlich erstens durch Vergleichung der 
Resultate einer auf jenem hypothetischen Grundgesetz aufgebauten "Theorie 
mit direkten Beobachtungen und zweitens durch Zurückgehen auf unsere als 
fundamental betrachteten mechanischen Grundbegriffe. Der erste Weg, das 
»Integralgesetz« der Theorie mit den Beobachtungen zusammenzustellen, und aus 
dem Zusammenfallen der Zahlenwerthe auf die Giltigkeit des »Differential- 
gesetzes« einen Rückschluss zu machen, ist hier im Gegensatz zu gewissen bekaunten 
Gebieten zwar principiell möglich, leidet aber an der Schwierigkeit künstlich 
realisirbarer experimenteller Bestimmungen einerseits und der Complicirtheit der 
  
  
1) Beziiglich der den einzelnen Atomrefractionen und Bindungen zukommenden Refractions- 
werthe sei auf die »Neuberechnung der Atomrefraction« von BRÜHL, Z. f. physik. Chemie 189t, 
pag. 191, verwiesen. In dieser Arbeit ist auch der Versuch gemacht, die Beziehungen der Dis- 
persion mit der chemischen Zusammensetzung zu erforschen. 
?) Vergl. insbesondere O. WarrAcH, LIEBIG, Ann. 245, pag. 191. 1888. 
  
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
     
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
  
  
  
    
    
  
 
	        
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