Full text: Handbuch der Physik (3. Abtheilung, 1. Theil, 2. Band, 1. Abtheilung)

  
  
Die Natur des Lichtes. 
Die Natur des Lichtes. 
I. Grundvorstellungen. 
Ueber die Natur des Lichtes haben ursprünglich zwei verschiedene Vor- 
stellungsweisen geherrscht, die sogenannte Emanationstheorie und die 
Undulationstheorie. Die erstere hatte ihren Hauptvertreter in NEwTON). 
Nach ihm verursachen kleine Partikelchen, welche von einem leuchtenden Punkte 
mit sehr grosser Geschwindigkeit fortgeschleudert werden, die Empfindung des 
Lichtes. Die Partikelchen bewegen sich geradlinig mit constanter Geschwindigkeit, 
so lange sie sich in einem homogenen Medium befinden, an der Grenze zweier 
verschiedener Medien tritt aber eine Richtungsánderung der Bahn der Licht- 
partikelchens ein. Das Gesetz, nach welchem dieselbe stattfindet, das sogenannte 
Brechungsgesetz, findet man auf Grund folgender Ueberlegung: Zerlegt man die 
Geschwindigkeit eines an die ebene Grenzflàche zweier Medien auttreffenden 
Lichtpartikelchen in zwei Componenten, von denen die eine der Grenze parallel, 
die andere senkrecht zu ihr gerichtet ist, so wird die erste nicht geándert, da 
man diese Geschwindigkeit nach Belieben als in dem ersten oder in dem 
zweiten Medium stattfindend sich denken kann, dagegen wird die letztere 
geändert, da die Lichtfortpflanzungsgeschwindigkeit in verschiedenen Medien als 
verschieden anzunehmen ist, falls bei der Brechung überhaupt eine Richtungs- 
änderung stattfindet. Wenn man nun berücksichtigt, dass die in beiden Medien 
resultirenden Geschwindigkeiten des Lichtpartikelchens in -einem für die beiden 
Medien charakteristischen Verhältniss stehen, so folgt unmittelbar das SNELLIUS- 
sche Brechungsgesetz, und zwar ergiebt sich nach dieser Vorstellung direkt, dass 
die Fortpflanzungsgeschwindigkeit in demjenigen der beiden Medien, in welchem 
der Weg des Lichtpartikelchens einen kleineren Winkel mit dem Einfallsloth ein- 
schliesst, die grôssere ist. 
Auch das Reflexionsgesetz wird nach der Emanationstheorie erklärt, jedoch 
sind schon bei diesen verhältnissmässig einfachen optischen Erscheinungen die 
Erklärungen unvollständig, da die Theorie über die Menge des reflektirten und 
gebrochenen Lichtes keinen Aufschluss zu geben vermag. Noch weit unwahr- 
scheinlicher wird die Theorie, wenn sie auf Interferenz- oder Diffractions- 
phánomene angewandt wird, da die Zahl der neu einzuführenden Hilfshypothesen 
sehr stark wüchst, und da trotz dieser die Erscheinungen zum Theil unrichtig 
beschrieben werden. 
Die zweite der genannten Theorien, die Undulationstheorie, ist von HUYGENS 2) 
entwickelt. Nach ihm besteht das Licht in einer schwingenden Bewegung einer 
sehr feinen, alle Körper und den leeren Raum durchdringenden Materie, des Licht- 
üthers, welcher seinen Schwingungszustand mit einer endlichen Geschwindigkeit, 
die in verschiedenen Medien verschieden ist, fortzupflanzen befáhigt ist. Vor 
HuvGENS fassten allerdings schon DESCARTES*) und Hooke#) das Licht als einen 
Schwingungszustand des Aethers auf, ihre Vorstellungsweise erwies sich aber als 
7) NEWTON, Optics. London 1704. 
2) HuvGENS, Traité de la lumiére. Leyden 1690. — Auch in OsrwALp's Klassikern, No. 20. 
3) DESCARTES, Dioptrica. 1637. Principia philosophiae III. 1644. Mundus sive dissertatio 
de lumine. 1704. 
4) Hooke, Micrographia. London 1665. 
  
    
   
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
   
  
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