JUL CANNES EN
Rotationspolarisation.
Rotationspolarisation.
Für einige einaxige Krystalle, wie z. B. Quarz, gelten nicht die FRESNEL-
schen Gesetze der Lichtfortpflanzung, und auch eine Anzahl regulärer Krystalle 1)
zeigen in ihrem optischen Verhalten Abweichungen gegenüber dem der isotropen
oder amorphen Körper. Diese bestehen hauptsächlich darin, dass die Polarisations-
ebene linear polarisirten Lichtes, welches eine planparallele Platte jener Substanzen
senkrecht zu ihren Begrenzungsflächen durchsetzt, nach dem Austritt aus der-
selben gegen ihre ursprüngliche Lage gedreht erscheint.
Das Gemeinsame dieser Art Krystalle ist, dass sie sogen. »gewendete« sind?),
d. h. keine Deckoperationen besitzen, welche aus der Verbindung von Drehungen
mit Spiegelungen hervorgehen.
Die Erscheinung der genannten Art ist zuerst von ARAGO?) im Jahre 1811
am Quarz entdeckt. Bald darauf fand BioT4) dieselbe auch am Terpentinôl, und
man hat seitdem eine grosse Zahl von Flüssigkeiten und Lösungen krystallinischer
Körper kennen gelernt, welche ebenfalls das genannte optische Drehungsvermögen
besitzen. Wir wollen diese Medien im Folgenden kurz mit »optisch aktiv« be-
zeichnen. Diese Flüssigkeiten und Lösungen haben nun nach der Entdeckung
PasTEUR's?) mit den »optisch aktiven« Krystallen ebenfalls die Eigenschaft gemein-
sam, dass sie als »gewendete« Medien anzusehen sind, d. h. nach der früheren
Bezeichnung (cf. pag. 662) sind diese Flüssigkeiten nicht als vollkommen isotrope,
sondern nur als dissymmetrisch-isotrope Kórper anzusehen. Der Unterschied der
Flüssigkeiten gegenüber den festen Kórpern besteht nur darin, dass in ersteren
die Dissymmetrie nicht in der Anordnung ihrer Moleküle begründet sein kann,
wie bei letzteren, da man bei einer Flüssigkeit die Moleküle als vôllig regellos
angeordnet annimmt, sondern dass die Anordnung der Atome im Molekül die
Dissymmetrie hervorbringt®).
Nachdem von HoPPE-SEVLER") und E. MuLDER®) auf Grund der Erscheinung,
dass das Drehungsvermógen natürlicher organischer Substanzen sich bis zu einem
gewissen Grade in ihre Derivate fortpflanzt, die Ansicht geáussert war, dass die
optische Aktivitát nicht von der Gruppirung sámmtlicher Atome im Molekül,
') Die Krystalle, an welchen die erwähnten Eigenschaften bisher entdeckt sind, sind mit
den betreffenden Literaturnachweisen in TH. LIEBISCH, Physikal. Krystallogr., pag. 518, aufgeführt,
?, Diese Bezeichnung rührt von H. MARBACH (Ueber »Hemiédrie non superposalee oder
»gewendete Krystallformen«, Programm, Breslau, 1861) her. Vergl. auch B. MINNIGERODE, N. Jahrb.
f. Mineral, Beil, Bd. 5, pag. 149. 1887. Das typische Beispiel einer »gewendetene Form ist
eine Schraubenlinie.
3) F. AraGo, Mém. de la Cl. des scienc. math. et. phys. de l'inst. imp. de France, Année
1811, 12, pag. 93. 1812. — Oeuvr. compl. 10, pag. 36. — GILBERT, Ann. d. Physik, 40,
pag. 145. 1812.
*) J. B. Bror, Bullet. de la Soc. Philomath. 1815, pag. rgo.
5) PASTEUR, Recherches sur la dissymmetrie moléculaire des produits organiques naturels.
Lécons de chimie, professées en 1860. Paris 1861. — Compt. rend. 26, pag. 535. 1847; 28,
pag. 477. 1848; 31, pag. 480. 1850; 33, pag. 217. 1851; 35, pag. 176. 1852. — Ann. de
chim. et de phys. (3) 24, pag. 442. 1848; 28, pag. 56. 1850; 31, pag. 67. 1851; 34, pag. 30.
1852; 38, pag. 437. 1853.
$) Hierfür spricht auch die von BioT im Jahre 1818 und von GERNEZ (Compt. rend. 62,
pag. 1277. 1866. — Ann. de l'école norm. 1. 1864) beobachtete Aktivität des Terpentinól-Dampfes.
7) HorPE-SEYLER, Journ. f. prak. Chem. 89. — Zeitschr. f. Chem. 1867.
8) E. MULDER, Zeitschr. f. Chem. 11. 1868.