Molekulares Drehungsvermógen. 803
erwähnt
ist, dadurch gewisse Schlüsse auf ihre chemische Constitution ziehen
k
ann, andererseits deshalb, weil man bei den Zuckerarten aus dem Drehungs-
winkel x die gelöste Menge an aktiver Substanz berechnen kann, sodass da-
durch ein Mittel zur quantitativen Analyse geboten ist
, Welches sehr vielfach
angewendet wird.
Bei einigen Substanzen, z. B. dem Rohrzucker, ist der Drehungswinkel a der
in der Volumeinheit enthaltenen Menge aktiver Substanz sehr nal
1e proportional?),
Man nennt nach Brior d
as specifische Drehungsvermógen p einer aktiven Flüssig-
keit die von einer Schicht der Dicke d = 1 dem hervorgerufene Drehung der
Polarisationsebene, dividirt durch die Dichte e der Flüssigkeit:
a
=.
Hat man eine aktive Substanz gelóst in einer inaktiven Flüssigkeit, und ist
das Gewicht der aktiven Substanz gleich e, das der inaktiven Flüssigkeit gleich
| — s, ferner die Dichte der Lósung gleich c, so ist offenbar die Dichte der
aktiven Substanz in der Lösung eo. Für eine Lösung ist daher das specifische
Drehungsvermögen definirt durch
a
pz
doe
Das sogen. molekulare ?) Drehungsvermógen o, wird dadurch definirt, dass
p mit dem Molekulargewicht P der gelösten Substanz multiplicirt und durch 100
dividirt wird, d. h. es ist
Bei dem Rohrzucker, ebenso bei Terpentinól, ist nun die Grósse e (und p,,)
nahezu eine Constante, d. h. bei ersterem von seiner Concentration, bei letzterem
von e, d. h. der Temperatur?) unabhängig.
Bei anderen Substanzen erkannte Bior 4) eine Abhängigkeit des specifischen
Drehungsvermögens vom Procentgehalt der Lösung oder von der Natur des
Lösungsmittels. Nach späteren eingehenden Untersuchungen von OupEMAN's jun.5)
und HessE ©) findet dies in gewissem Grade bei allen Substanzen statt.
Das Dispersionsvermögen der Flüssigkeiten lässt sich meist wie beim Quarz
durch die zweiconstantige BoLTZMANN’sche Formel (pag. 798) darstellen. Gewisse
Anomalien hingegen zeigt die in Wasser oder Alkohol gelöste Weinsäure, wie
schon BioT fand, und spáter von ARNDTSEN 7) genauer studirt ist.
!) Ueber das Drehungsvermógen des Zuckers in verdünnter Lösung vergl. R. NAsını und
V. VILLAVECCHIA, Rend. R. Acad. dei Lincei (4) 7, 2. Sem. pag. 285, 1891.
?) BioT nannte die Grösse p das molekulare Drehungsvermögen. Später ist diese Bezeichnung
von WILHELMY (POGG. Ann. 81, pag. 527. 1850), HOPPE-SEYLER (Journ. f. pract. Chem. (1) 89,
pag. 273, und KRECKE (ibid. (2) 5, pag. 6) auf die Grósse p,; angewandt.
3) Dies Verhalten hat BlioT am Terpentinól im Intervall von — 10? bis + 100? constatirt.
Später fand GERNEZ (l. c.) allerdings eine geringe Abhängigkeit des specifischen Drehungsver-
mógens des Terpentinóls von der Temperatur. Dagegen fand er für die Dàmpfe von Kampfer,
Orangenól, MBigaradenól, Terpentinól, dass sie dasselbe specifische Drehungsvermógen, wie im
flüssigen Zustande besässen.
4) Biot, Ann. de chim. et de phys. (3) 10, pag. 5; 175, 307 u. 385. 1844; 36, pag. 257. 1852.
$) OUDEMANS, POGG. Ann. 148. 1873.
6) Hesse, LIEBIG’s Ann. 176. 1875. Man vergl. auch das citirte Werk von LANDOLT, pag. 50 u. ff,
7) ARNDTSEN, Ann. de chim. et de phys. (3) 54, pag. 403. Dass durch Mischung zweier
Substanzen von entgegengesetzten Drehungsvermägen eine Lósung mit anomaler Rotationsdispersion
entstehen kann, ist von G. H. v. Wvss am Terpentinól gezeigt (WiED. Ann. 33, pag. 554. 1888).
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