Entwickelung der Thermometrie. 11
Gestützt auf die bahnbrechenden Betrachtungen von CamNoT!) 1824 hatte
1834 CraAPEYRON?) für umkehrbare Kreisprocesse eine im allgemeinen noch un-
bestimmt gelassene Temperaturfunction eingeführt, welche als Maass der Wirkungs-
grósse der Würme dienen sollte und für einzelne Fälle sogar den Werth derselben
berechnet. H. von HkLMHOLTZ?) zeigte 1847 in seiner Schrift über die Erhaltung
der Kraft, dass für die Gase jene Function C proportional der absoluten Tempe-
ratur sei. JoULE4) bemerkte 1848, dass diese letztere dem Produkte der Tempe-
raturfunction und dem mechanischen Aequivalente der Würmeeinheit gleich und
die Proportionalititsconstante daher Eins sei. W. THoMsoN machte nun den Vor-
schlag, die für alle Körper identische Temperaturfunction C, als Temperatur-
maass zu wáühlen, den reciproken Werth derselben als CaRNoT'sche Function
zu bezeichnen und die absolute Temperatur als den Quotienten aus dem
mechanischen Aequivalent der Würmeeinheit und der CanwoT'schen Function zu
definiren. Nach W. Tuowsow ist die absolute Temperatur diejenige, für welche
bei einem unendlich kleinen Kreisprocesse das Verhiltniss der unendlich kleinen
Temperaturerhóhung zur absoluten Temperatur dem Verhiltniss aus der in Arbeit
umgesetzten und der ganzen vom heissen auf den kalten Körper übertragenen
Wärmemenge einfach gleich zu setzen ist?) Einen Kórper einem vollstándigen
Kreisprocesse z. B. zwischen den Temperaturen des siedenden Wassers (7 + 100)
und des schmelzenden Eises 7, zu unterwerfen und die gesammten dabei über-
tragenen, sowie die in Arbeit umgesetzten Wármemengen genau zu messen, ist
nicht möglich. Es kann daher die Graduirung eines Thermometers nicht direkt
ausgeführt werden, indem man dasselbe nach einander in Wármequellen taucht,
deren Temperaturen so regulirt sind, dass bei dex Ueberführung derselben Wárme-
menge vom Kessel in den auf 7, gehaltenen Condensator tig, 105 - - - - du
der bei dem Temperaturunterschiede (7, + 100) — Z, geleisteten Arbeit er-
zeugt wird. Eben so wenig sind hinreichend genaue experimentelle Grundlagen
vorhanden, welche aus der Spannkraft und dem Volumen gesáttigten Dümpfe
die absoluten Temperaturen zu berechnen gestatten. Es mussten daher W. THOM-
SON und JouLE vorerst für einige Gase mit grósster Sorgfalt die Erwärmung
bezw. Abkühlung beobachten, die in Folge der Abweichung der Gase vom
idealen Zustande eintrat, wenn ohne Wärmeentzug bezw. Wärmezufuhr die Gase
langsam von einer Stelle zu einer anderen überstrómten, an welcher ein niedrigerer
Druck herrschte; alsdann gelang es im Jahre 1854 W. THomsoNS) unter Be-
nutzung der Versuche von REGNaULT über die Compressibilitit der Gase aus
diesem umkehrbaren Kreisprocesse die Reduction eines Luftthermometers mit
constantem Volumen zu berechnen. Danach würde ein Lufthermometer mit
constantem Volumen bei 50? um 0:04? zu hoch zeigen. JocHMANN) wies jedoch
1) Neudruck in Osrwarp's Classiker.
2) Journ. de l’école polytechnique XIV (1834), Pocc. Ann. 59, pag. 446. 1843.
3) Wissensch. Abhandl. I, pag. 37— 40.
4) Siehe W. THoMsoN, Edinb. Phil. Trans XX, pag. 279.
5) Vergl. Temperaturdefinitionen ROSENBERGER, Geschichte der Physik III, pag. 419—423.
Braunschweig 1887—1890. — Sir WiLLiAM THoMsoN's Heat. Edinb. 1880, pag. 43—44. —
B. WEINSTEIN. Ueber die Reduction der Angaben von Gasthermometern auf absolute Tempe-
raturen No. 3 der metronomischen Beiträge der kais. Normal-Aichungs-Kommission. Berlin 1831.
8) W. THOMSON, Phil. Transactions 1853, 1854, 1863.
7) JocHMANN, Beitrüige zur Theorie der Gase, Programm des Kólnischen Real-Gymnasium.
Berlin 1859. — ScHLOMILCH, Zeitschr. für Mathematik und Physik, Bd. 5, pag. 24—39 und
96— 131.