Full text: Handbuch der Physik (Zweiter Band, zweite Abtheilung)

Wärmeleitung. 
Zustand gelungen, aus der Hypothese über die Molekularbewegungen in ihnen die 
Erscheinungen der Wärmeleitung qualitativ und quantitativ abzuleiten. (S. darüber 
in Kinetische Gastheorie!) Man kann aber, ohne diese molekular-theoretischen 
Betrachtungen anzustellen, die Gesetze der Wärmeleitung rein aus der Erfahrung 
entnehmen und dieses ist zuerst von FOURIER?) in seiner »Théorie analytique de 
la chaleur« 1822 geschehen. 
IL Theorie der Wärmeleitung. 
Die Grundfrage der Theorie der Wärmeleitung ist folgende: Wenn 
zwei benachbarte Stellen eines Körpers die Temperaturen 9 und 9' haben, 
wobei Ÿ grôsser als 9'sein móge, wenn ferner der Abstand dieser Stellen f ist, 
wie gross ist dann die Wármemenge, welche in dem Zeitelement Z7 von der 
wärmeren Stelle zur kálteren in der Richtung # übergeht? Die empirische Antwort 
auf diese Frage lautet: die gesuchte Wärmemenge dQ ist genau proportional 
der Temperaturdifferenz 9 — 9' und der Zeit Z7 und hàüngt ausserdem noch in 
gewisser Weise ab von f, so dass die Grundgleichung lautet 
dQ — (8 — 4) ¢ (2) 44 
wo e (^) eine Function des Abstandes ist, die mit wachsendem ? rasch abnimmt, 
da zwei, weit von einander getrennte Moleküle keine Wärme durch Leitung 
austauschen. Dass die übergehende Wärmemenge der Temperaturdifferenz genau 
proportional ist, ist eine Erfahrungsthatsache, insofern, als die Folgerungen aus 
dieser Behauptung alle mit der Erfahrung stimmen. 
Ueber den Werth der Function ç (#), d. h. tiber die Abhängigkeit der über- 
gehenden Wärmemenge von der Entfernung der beiden ungleich temperirten Stellen, 
kann man in einem bestimmten Falle einfach entscheiden. Wir denken uns nämlich 
einen Körper in Form einer Platte, die von zwei unendlich ausgedehnten Ebenen 
A und B begrenzt sei. Der Abstand der beiden Ebenen, also die Dicke der 
Platte sei e. Es werde nun die eine der beiden Ebenen z. B. fortwährend auf 
der Temperatur 8 gehalten, indem man sie etwa mit einer Würmequelle verbindet, 
welche stets diese Temperatur hat. Wenn beispielshalber 9 die Temperatur 100° 
sein soll, so kann man die Ebene 4 mit siedend gehaltenem Wasser in Berührung 
bringen. Ebenso sei die Ebene B permanent auf der Temperatur 9' gehalten. 
Wenn etwa 9' gleich 0? sein soll, so kann man dieses bewirken, indem man 5B 
mit schmelzendem Eis in Berührung bringt. Die beiden Grenzebenen werden 
also auf künstlichem Wege auf constanter Temperatur erhalten, indem - jede 
Wärmemenge, die durch Wärmeleitung der Ebene A4 entzogen wird, ersetzt wird 
durch eine gleiche, aus dem Reservoir (dem siedenden Wasser) kommende, und 
indem ebenso jede Wármemenge, die £ zugeführt wird, ihm entzogen wird, da 
sie zur Schmelzung von Eis benutzt wird. Die beiden Grenzebenen sind also 
stetig und dauernd auf festen Temperaturen und es fragt sich, welche Temperaturen 
herrschen in irgend einem Punkte im Innern der Platte. Man kann zuerst leicht 
einsehen, dass an jeder Stelle im Innern der Platte eine Temperatur sich her- 
stellen muss, welche im Laufe der Zeit sich gar nicht üundert. Einen solchen 
Zustand, in welchem irgend welche physikalische Gróssen sich mit der Zeit nicht 
ändern, also von der Zeit unabhängig sind, nennt man einen stationären Zu- 
  
1) G. JÄGER hat versucht, eine kinetische Theorie der Wärmeleitung in Flüssigk eiten auf- 
zustellen (Wien. Ber. 102 IIa, pag. 883. 1893). 
?) FOURIER, Théorie analytique de la chaleur 1822. Deutsche Ausgabe von WEINSTEIN, 
Berlin 1884. 
  
  
  
     
   
  
  
  
   
  
  
   
   
   
  
  
  
  
  
   
   
  
  
  
    
    
   
  
   
   
   
   
    
    
  
   
  
  
   
  
  
  
  
   
  
   
  
	        
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