418 Mechanische Wärmetheorie (Thermodynamik).
Variable allein bestimmt werden, sondern dass sie eine beliebige Anzahl Variabler
in ihre Rechnungen einzieht. Dadurch werden insbesondere eine grosse Anzahl
chemischer Processe der Untersuchung zugänglich, die früher nicht zu behandeln
waren.
Der dritte Fortschritt ist ein formeller. Es gelang die thermodynamischen
Vorgänge bei beliebigen Systemen von einer einzigen Function abhängig zu
machen, so dass die Behandlung der Gleichgewichtszustände mathematisch auf
ein einfaches Maximum-Minimumproblem reducirt ist.
Diese Fortschritte sind zunächst in einer lange unbekannt gebliebenen grossen
Arbeit von GIBBs !) (1876) gemacht worden. Diese Arbeit enthält eine ausserordentlich
tiefe und reichhaltige Behandlung allgemeiner physikalisch-chemischer Probleme,
die jedoch leider zu wenig auf specielle Aufgaben angewendet ist. GiBBs hat
zunächst gezeigt, dass man für jedes bestimmte Problem eine charakteristische
Function finden kann, deren Minimum oder Maximum den Gleichgewichtszustand
bestimmt. In derselben Weise arbeitete unabhängig Massieu?) und später
v. HELMHOLTZ?) der für bestimmte Fälle eine solche Function bildete, der er
den bezeichnenden Namen freie Energie gab. Dieselbe und eine andere
Function fithrte DUHEM*) unter dem Namen »Thermodynamisches Potential« ein
und wendete sie für eine Reihe von speciellen Aufgaben an. In der neuesten
Zeit wurde diese Methode insbesondere von PLANCK®) ausgebildet und an-
gewendet.
II. Entwickelung der allgemeinen Theorie.
A. Der erste Hauptsatz.
4) Der Satz von der Erhaltung der Energie sagt aus, dass die Energie eines
gegen äussere Einflüsse abgeschlossenen Systems bei allen Veränderungen des
Systems constant bleibt und dass bei einem nicht nach aussen abgeschlossenen
System die Energie sich nur um so viel (positiv oder negativ) ändert, als die
ihm von aussen zugeführte positive oder negative Energie in irgend einer Form
beträgt. Beschränken wir uns zunächst auf den Fall, dass dem System von
aussen nur Wärme zugeführt oder entzogen wird und dass das System nach
aussen nur mechanische Arbeit leiste oder dass ihm solche von aussen zugeführt
werde. Die Wärmeenge ist, das ist die Grundlage des ersten Hauptsatzes, eine
Art der Energie. Messen wir Wärmemengen in Calorieen, so entspricht eine
Calorie einer Arbeit von / — 427 Kilogrammeter Arbeit (bei Annahme der
mittleren Calorie (ca. 15?) als Einheit, s. o. pag. 415). Wird also einem System
eine Wärmemenge 9 Q zugeführt, so entspricht diese /8 Q Kilogrammetern Arbeit.
Wir wollen Wüármemengen, die dem System zugeführt werden, stets als positiv,
solche, die ihm entzogen werden, als negativ bezeichnen. Umgekehrt wollen
wir Arbeiten, die das System gegen äussere Kräfte leistet, als positiv, solche
die von äusseren Kräften an dem System geleistet werden, als negativ bezeichnen.
Bezeichnen wir alsdann die innere Energie des Systems (die man sich etwa aus
der kinetischen und potentiellen Energie der Moleküle bestehend denken kann)
mit Ü, so wird die zugeführte Wàrmemenge /0Q einerseits verbraucht, um die
1) GBs, Thermodynamische Studien. Uebersetzt von OsTWALD. 1802.
?) MassIEU, Journ. de phys. (6), pag. 216. 1877.
3) v. HELMHOLTZ, Wissenschaftl. Abh. II, pag. 958.
*) DuHEM, Le potentiel thermodynamique. Paris 1886.
?) PLANCK, WIED. Ann. 30, pag. 562. 1887; 3r, pag. 189. 1887; 32, pag. 462. 1887;
44, pag. 385. 1891.