Reibung. - Gleitungscoëfficient. 579
Reibungscoéfficient derselbe ist, sondern dass er bei sehr niedrigen Drucken
kleiner werden muss und zwar um so mehr, je weniger die mittlere Weglánge
der Molekeln gegenüber den Dimensionen jener Ráume, innerhalb welcher die
Gasreibung stattfindet, vernachlässigt werden kann. Wie wir aber später sehen
werden, ist der wahre Werth der mittleren Weglänge so klein, dass selbst bei
den äusserst erreichbaren Verdünnungen dieser Einfluss auf die innere Reibung
kein beachtenswerther sein dürfte, so dass wir vielmehr für die Erklärung der
Abweichungen der inneren Reibung sehr verdünnter Gase nach einer anderen
Ursache suchen müssen, die wir als sogenannte Gleitung der Gase kennen
lernen werden.
Während nämlich innerhalb eines grossen Druckintervalls die innere Reibung
der Theorie entsprechend, eine constante Grösse ist, wird sie nach den Ver-
suchen von KuNDT und WamnBURG (s. Art. Reibung) für grosse Verdünnungen
kleiner, als man nach der Theorie erwarten sollte. Diese Erscheinung beweist
jedoch nicht einen Mangel der Theorie, sondern sie ist lediglich in der falschen
Annahme begründet, dass die unmittelbar an den Wänden des Apparats befind-
liche Gasschicht die jeweilige Geschwindigkeit der Wand besitzt oder, was
dasselbe ist, in der Annahme, dass die äussere Reibung unendlich gross ist.
Unter áusserer Reibung der Gase versteht man die zuerst von KUNDT und
WARBURGÍ) untersuchte Erscheinung, dass ein Gas, welches sich mit anderer
Geschwindigkeit bewegt als eine an dasselbe angrenzende, feste Wand, je nach-
dem die Geschwindigkeit der Wand eine gróssere oder kleinere ist, eine
Beschleunigung oder Verzögerung von derselben erfährt. Wäre keine äussere
Reibung da, so würde das Gas längs. der festen Fläche mit seiner eigenen
Geschwindigkeit gleiten. Die Reibung hat jedoch zur Folge, dass diese Gleit-
geschwindigkeit, die wir kurz die Gleitung nennen wollen, verringert wird, so
dass nur bei verháltnisssmássig geringer äusserer Reibung thatsächlich eine
Gleitung wahrzunehmen ist. Die Gleitung hängt ferner auch von der inneren
Reibung des Gases ab, denn je grósser diese ist, um so mehr sucht sich das
Gas als Ganzes zu bewegen, desto grósser wird also die Gleitung sem. Te
geringer sie ist, einen desto kleineren Zug werden die entfernteren Gasmolekeln
auf die in der Nähe der festen Wand ausüben, desto geringer wird also auch
die Gleitung ausfallen.
O. E. MEver?) führt analog dem Vorgehen von HELMHOLTZ und PIOTROWSKI*)
bei tropfbaren Flüssigkeiten auch für die Gase den sogenannten Gleitungs-
coéfficienten £ ein. Derselbe ist das Verhältniss zwischen dem Coëfficienten
der inneren Reibung n und jenem der äusseren e, also
ê A
T )
£
was nach den obigen Bemerkungen thatsáchlich als Maass der Gleitung an-
gesehen werden kann. Da fiir die Molekeln selbst die glatteste Fliche noch
als sehr rauh angesehen werden muss, so ist vorauszusehen, dass nicht alle
Molekeln, welche unter gleichem Winkel auf eine feste Fliche auftreffen, auch
unter demselben Winkel wieder reflektirt werden, sondern dass die Gasmolekeln
nach der Zurückwerfung die verschiedensten Richtungen haben können. Nehmen
wir, wie es anfangs immer geschehen ist, an, die fortschreitende Bewegung des
1) PocG. Ann. 155. 1875.
?) Gasth., pag. 146.
3) Wien. Ber. 40, pag. 607. 1860.