590 Die kinetische Theorie der Gase,
dass die Energie der fortschreitenden Bewegung bei den Flüssigkeitsmolekeln
nur ein sehr kleiner Theil der Gesammtenergie ist.
Wir werden noch Gelegenheit haben, auf die interessante Beziehung zwischen
innerer Reibung und Wärmeleitung der Flüssigkeiten zurückzukommen.
Diffusion.
Schichtet man in einem Gefäss zwei Gase so übereinander, dass sich das
leichtere oben befindet, so vermischen sich im Lauf der Zeit beide Gase, bis
ein jedes an allen Stellen des Gefässes dieselbe Dichte besitzt. Man bezeichnet
diese Erscheinung mit dem Namen Diffusion, und man hat den äusseren Vor-
gang derselben in analoge Formeln gebracht wie die Fortpflanzung der Wärme
durch Leitung. (Siehe Art. »Diffusion«). Ist die Richtung, in welcher die
Wanderung der Gase stattfindet, durch eine Gerade, deren Länge von einem
beliebigen Punkt aus wir x nennen wollen, bestimmt, so erfolgt die Wanderung
des einen Gases, dessen Partialdruck an der Stelle x wir 5, nennen wollen,
nach der Gleichung
0 0?
£i ó fi (43
0? Ox? !
in welcher die Constante à. den Namen Diffusionscoéfficient. führt. Es
handelt sich uns nun darum, im Folgenden diese Gleichung aus der kinetischen
Theorie der Gase abzuleiten. ;
Dass die Mischung zweier Gase nur verhältnissmässig langsam vor sich
gehen kann, hat schon CLAUSIUS in seinen Arbeiten über die mittlere Weglánge
der Gasmolekeln erklärt. Je kleiner die Weglánge und die wirkliche Geschwindig-
keit der Gasmolekeln ist, desto langsamer werden sich die Gase mischen, indem
in Folge der Zusammenstósse die Molekeln immer von Neuem von ihrer Bahn
abgelenkt werden. Auf Grund dieser Anschauungsweise wurde die Theorie der
Diffusion zuersí von MaxwELL!) entwickelt, mit welcher diejenige STEFAN's") in
mehrfacher Hinsicht übereinstimmt. Wir wollen uns im Folgenden dem
Entwickelungsgang, welcher von O. E. MzvrR?) herrührt, anschliessen.
Sind in einem Gefüss zwei Gase gleichzeitig vorhanden, so gilt für dieselbe
das DarroN'sche Gesetz
Pa + bo =D
wenn wir unter p, und p, die Partialdrucke, unter ? den Gesammtdruck der
Gase verstehen. Demnach muss
d d
Fi apy — 0
dx dx
sein, da ja P eine an allen Punkten des Gefásses constante Grösse ist. Mithin
db Wa
dx dx
Wir machen nun die Annahme, wir hätten in einem aufrechtstehenden
cylindrischen Gefäss zwei Gase so übereinander geschichtet, dass sie parallel
zur Cylinderaxe gegeneinander wandern, und dass an allen Stellen eines Quer-
schnitts senkrecht auf die Cylinderaxe p, also auch p, constant ist Sehen wir
dp
die Cylinderaxe gleichzeitig als x-Axe an, so giebt 2 die Druckänderung des
!) Phil. mag. (4) 20, pag. 21. 1860; 35, pag. 199. 1868.
2) Wien. Ber. 65 (2), pag. 323. 1872.
3) Gasth. pag. 162 u. 327.