688 Verflüssigung von Gasen.
IIL Versuche zur Erzeugung grösserer Mengen von flüssigen Gasen und
Studium ihrer Eigenschaften.
ii 9) Nachdem so die schwer coerciblen Gase fliissig gemacht waren, wenn auch
li nur in geringen Quantitüten und für kurze Zeit, gingen die Bemühungen dahin,
Einrichtungen und Methoden zu finden, durch welche es gelünge, gróssere
Quantitáten verflüssigter Gase für längere Zeit zu erhalten, zum Theil um deren
Wil Eigenschaften zu studiren, zum Theil, um die durch sie erzeugten tiefen Tempe-
1 IN raturen zu wissenschaftlichen Untersuchungen zu benutzen.
nl Da sich durch die Experimente von CAILLETET und PICTET gezeigt hatte,
| dass von den 4 Gasen Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenoxyd, Wasserstoff der Sauer-
stoff sich am leichtesten condensiren lasse, die wenigst tiefe Temperatur zur
Condensation erfordere, so erstrebte man zunáüchst die dauernde Verflüssigung
des Sauerstoffs. Das Mittel dazu bestand darin, durch ein womöglich unter
Atmosphärendruck stehendes verflüssigtes Gas eine so tiefe Temperatur zu er-
zeugen, dass sie tiefer wäre als die kritische Temperatur des Sauerstoffs, sodass
man dadurch den Sauerstoff durch Anwendung passenden Druckes zu einer
A statischen Flüssigkeit condensiren könnte.
AM Die erste Frage war also die nach den passenden Kältemitteln. CAILLETET!)
untersuchte diese Fragen zuerst weiter und studirte das Aethylen als Kältemittel.
IN Dessen normaler Siedepunkt ist etwa bei — 102:4, sodass er nicht ausreicht, um
VI die kritische Temperatur des Sauerstoffs (— 118?) erreichen zu lassen. Sonst
I aber hat flüssiges Aethylen sehr angenehme Eigenschaften, da es sich in Gefässe
giessen lässt und langsam in ihnen siedet. CAILLETET wollte auch das Methan?)
anwenden, dessen normale Siedetemperatur tiefer ist. Bevor er jedoch zum Ab-
schluss seiner Untersuchungen kam, nahmen WnonLEwski und OrszEwskKi?) diese
Versuche mit dem CairzLETET'schen Apparat auf. Ihre Neuerung, die zum Ziele
führte, war die, dass sie das Aethylen nicht bei Atmosphárendruck anwendeten,
sondern unter geringerem Druck verdampfen liessen, eine Methode, welche
schon FARADAY mit bestem Erfolg bei der festen Kohlensäure angewendet hatte.
Dadurch gelang es ihnen, die Temperatur des Aethylenbades bedeutend zu
erniedrigen. Sie maassen die Temperatur mit einem Wasserstoffthermometer und
fanden, dass Aethylen, wenn es unter dem Druck von 25 mm Hg siedet, die
Temperatur — 136? C. hat. Als sie in ein solches Bad — die Anwendung der Luíft-
pumpe zur Druckverminderung bringt natürlich Complikationen in der experi-
mentellen Anordnung hervor — das umgebogene Rohr des CAILLETET schen
qi Apparates brachten, in welchem Sauerstoff von etwas mehr als 20 Atmosphären
| sich befand, verflüssigte sich dieser glatt. Er bildet eine durchsichtige, äusserst
bewegliche, schwach bläuliche Flüssigkeit. Die Drucke, die zur Verflüssigung
nöthig sind, sind
Temp. — 1358 | — 1848 | — 18984 —131'6 — 1296
Druck 22:2 23:18 24:4 25:85 27:02 Atm.
Bei höheren "Temperaturen steigen die Drucke rasch. | WROBLEWSKI*)
bestimmte bald darauf die Dichte des flüssigen Sauerstoffs — aus der Menge
des angewendeten Gases und dem Volumen der erzeugten Flüssigkeit — und
7) CAILLETET, Compt. rend. 94, pag. 1224. 1882.
2) CAILLETET, Compt. rend. 98, pag. 1565; 99, pag. 213. 1881.
3) WROBLEWSKI und OLSZEWSKI, WIED. Ann. 20, pag.243. 1883.
4) WROBLEWSKI, WIED. Ann. 20, pag. 860. 1883.