Full text: Handbuch der Physik (3. Abtheilung, 1. Theil, 2 Band, 2. Abtheilung)

   
698 Gesättigte Dämpfe. 
Die Anwesenheit von Luft oder anderen Gasen im Innern der Flüssigkeit 
ist also zum Phänomen des Siedens nothwendig. In der That, wenn eine 
Flüssigkeit vollkommen luftfrei ist, entstehen im Innern derselben keine Dampf- 
| blasen, auch wenn die Temperatur weit über den Siedepunkt hinaus steigt. 
Il Man kann die Flüssigkeit in diesem Falle weit überhitzen, sogar um 20? und 
Il mehr. Nothwendig ist dazu, dass die Flüssigkeit möglichst ruhig ist, weil sonst 
durch die Bewegung der Oberfläche Luft eindringen kannl). Bringt man aber 
eine Luftblase direkt in die überhitzte Flüssigkeit hinein oder wirft man einen 
festen Körper — ein Stückchen Platindraht u. s. w. — hinein, so findet eine 
stürmische Entwickelung von Dampf statt, die bei starker Ueberhitzung sogar 
explosionsartig sein kann.  Vollkommen sind übrigens die Bedingungen der 
Ueberhitzung noch nicht aufgeklärt. 
2) Der normale Siedepunkt einer Flüssigkeit ist nur in seltenen Fällen direkt 
zu beobachten, da der Druck von 760 mm meistens nicht direkt ohne besondere 
Hilfsmittel vorhanden ist. Man kann die Beobachtungen auf 760 mm reduciren, 
wenn man bei zwei Barometerständen die Siedetemperatur beobachtet und dann 
linear extrapolirt oder interpolirt. Nach CrarTs?) ist die Correction pro 
1 mm Druck = a7, wo Z' die absolute Temperatur des Siedepunkts ist und a 
zwischen 0:00091 und 0:00134 bei verschiedenen Flüssigkeiten ist. 
3) Für Wasser sind die den verschiedenen Barometerständen entsprechenden 
Siedepunkte in der folgenden Tabelie nach Brocu3), der die Beobachtungen 
REGNAULT's verwerthete, angegeben. Die Barometerstinde sind darin auf 0°, 
Meeresniveau unter 45° geographischer Breite reducirt. 
  
  
  
  
  
  
  
i i Barometer- Siedetemperatur Barometer- Siedetemperatur 
| i stand BROCH-REGNAULT stand BROCH-REGNAULT 
i 700 97-721 755 99-816 
lh 705 97-917 760 100-000 
| | 710 98:112 165 1C0:183 
715 98:306 770 100:365 
720 98:498 775 100:546 
1925 98:690 780 100:726 
730 98:880 185 100-905 
735 99:070 790 101:083 
740 99:258 795 101:266 
745 99:443 800 101:436 
750 99:631 
  
  
  
Nach Wirp*) und WiEBE?) sind an diesen Zahlen kleine additive Correctionen 
anzubringen, die zwischen 700 und 760 zz4 von 0:02? bis 0? abnehmen; diese 
Correctionen erreichen bei tieferen Temperaturen (82?) den Betrag von 4- 0:041°. 
4) Die Einrichtungen zur genauen Ermittelung des Siedepunkts müssen 
natürlich bei tief-, mittel- und hochsiedenden Substanzen verschieden sein. 
Namentlich bei hochsiedenden Substanzen sind die Messungen sehr schwierig 
1) DoNNY, Ann. chim. phys. (3) 16, pag. 167. 1844. — DUFOUR, Archive de Genève 12, 
pag. 210. 1861. — GERNEZ, 1. c. 
2) CRAFTS, Chem. Ber. 20, pag. 709. 1887; Beibl. 12, pag. 97. 
3) BrocH, Trav. et Mém. du Bureau unters. des Poids of Mesures IA, pag. 46. 188r. 
4) WiLp, Mél phys. chim. 13, pag. 263. 
5) WIEBE, Zeitschr. für Instrumentenkunde 13, pag. 329. 1893. 
  
     
  
  
   
    
  
   
  
    
   
    
   
  
  
  
  
   
    
    
   
   
   
    
   
   
   
    
   
  
    
   
    
  
  
  
  
 
	        
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