Einleitung. 171
peratur. Man kann diese Analogie weiter ausführen und, gerade wie von
Flüssigkeitsstrómen und Wármestrómen, auch von elektrischen Strómen reden,
ohne dabei in den beiden letzten Fillen irgend etwas anderes als eben die That-
sache des Ausgleichs ausdrücken zu wollen, insbesondere ohne über die Natur dessen,
was wir Wárme, resp. Elektricitit nennen, eine Hypothese aufzustellen. Verbindet
man etwa zwei Leiter, auf deren jedem das Potential einen constanten, aber für
beide verschiedenen Werth hat, durch einen Draht mit einander, so wird in diesem
ein elektrischer Strom fliessen. Freilich schwächt sich derselbe, gerade wie der
Flüssigkeits- oder Wärmestrom in den entsprechenden Fällen, fortwährend ab,
weil die Differenz der Potentiale, der er seinen Ursprung verdankt, immer geringer
und geringer wird, und schliesslich hört er, sobald auf beiden Leitern das Potential
denselben Werth angenommen hat, gänzlich auf. Im allgemeinen wird sich der
Process bei der Elektricität sogar weit rascher abspielen, als bei den Flüssigkeiten
oder der Wärme, derart, dass ein solcher elektrischer Strom, den man als Ueber-
gangsstrom!) bezeichnen kann, weder praktische Verwendbarkeit besitzt noch
zum Studium der Gesetze der elektrischen Stróme geeignet erscheint. Man muss
sich zu beiden Zwecken vielmehr Stróme verschaffen, welche in zweifacher Hinsicht
von dem eben gedachten abweichen, die nämlich einmal von längerer und zwar
möglichst von unbeschränkter Dauer, und die ausserdem von — soweit möglich —
constanter Stärke sind, Ströme, welche man stationäre Ströme nennt, und welche
man etwa den Wasserläufen auf der Erdoberfläche oder dem Wärmestrome vom
Innern nach der Oberfläche der Erde zur Seite stellen kann. Man erhält solche
Ströme, wenn man in dem oben gedachten Falle den auf höherem Potential
befindlichen Leiter fortdauernd ladet, den andern fortdauernd entladet, derart,
dass ihre Ladungen stets dieselben bleiben. Am geeignetsten hierfür ist offenbar
eine Anordnung, bei welcher die beiden constant erhaltenen Potentialoberflächen
nicht an den Enden eines geradlinig gedachten Verbindungsdrahtes sich befinden,
sondern in unmittelbare Nachbarschaft von einander gebracht und einerseits durch
die betreffende potentialerhaltende Vorrichtung direkt, andererseits durch einen
kreisförmig gebogenen Draht oder allgemeiner, durch einen beliebig gestalteten
körperlichen Leiter mit einander verbunden werden; was man dann erhält, ist
ein geschlossener oder Kreisstrom. Vorrichtungen von der gedachten
Art sind die galvanischen Combinationen (s. d. Art.), Thermosäulen, magnetelek-
trische oder dynamoelektrische Maschinen, lichtempfindliche Zellen (s. w. u.) und
noch andere mehr; sie sind die Analoga zu der Combination: Wolken—Ozean für
die Wasserläufe, zur MARIOTTE schen Flasche, zu den thermischen Combinationen:
Vulkane—Austrahlung oder Kessel—Condensator u. s. w. Alle diese elektrischen
Apparate haben das mit einander gemein, dass sie — thatsüchlich freilich nur
bis zu einem gewissen Grade — zwischen ihren Polen (Klemmen) eine dauernde
und constante Potentialdifferenz erhalten und somit dauernde und constante Stróme
liefern. Von der Besonderheit dieser Stromquellen wird im vorliegenden Artikel
nicht die Rede sein, es wird sich lediglich um die Gesetze der stationären Ströme
als solcher handeln, wobei nur da, wo es des unmittelbaren Anschlusses halber
angezeigt erscheint, auch auf die nicht stationären, veränderlichen Ströme, denen
im übrigen spätere Kapitel gewidmet sind, hinzuweisen sein wird. Hieraus ergiebt
sich zugleich, dass es sich im folgenden weniger um neue qualitative Erscheinungen
handeln wird, als vielmehr um die Feststellung der quantitativen, der räumlichen
und der zeitlichen Gesetze der elektrischen Ströme.
1) MAXWELL, Lehrb. der El. u. d. Magn. 1, pag. 372.