Eisen und Stahl. 191
würde also zu einem vólligen Gegensatze zu der früheren Anschauung gelangen,
wenn man nicht durch weiteren Verfolg der Curve einsühe, wo die Versóhnung zu
suchen ist. Die Eisencurve füllt námlich links von der Ordinatenaxe sehr rasch,
die Stahlcurve viel langsamer ab, und der Abscissenwerth, wo die negative Ab-
scissenaxe geschnitten wird, also die »Coércitivkraft« im quantitativen Sinne des
Wortes (pag. 175) ist bei Stahl viel grósser als bei Eisen; mit anderen Worten:
der remanente Magnetismus des Stahls ist bestündiger als der des Eisens, er kann
nur durch eine viel grössere Kraft zerstört werden. Man hat eben früher den
Fehler gemacht, die Coercitivkraft durch den remanenten Magnetismus zu messen,
während es doch zwei selbständige Grössen (Abschnitte der negativen Abscissen-
axe und Abschnitt der positiven Ordinatenaxe) sind. — Das gehärtete Eisen
nimmt in allen diesen Hinsichten eine gewisse Mittelstellung zwischen weichem
Eisen und hartem Stahl ein. Zu besonderer Betrachtung bietet noch das erste
Stück der Curve Anlass, welches zu dem eigentlichen Process nicht gehört,
sondern die Magnetisirungscurve für »frisches« Material bedeutet. Gerade diese
Curve ist je nach dem Härtegrade sehr verschieden gestaltet, das erste, langsam
ansteigende Stück ist desto kürzer, je weicher das Eisen ist, die Curve steigt in
Folge dessen bei weichem Eisen viel rascher an als bei hartem, und v. WALTEN-
HOFENÍ) hat sogar eine Methode und einen mehrfach vervollkommneten und
vereinfachten Apparat vorgeschlagen, um durch Ausmessung dieser Curve den
Härtegrad von Stahlsorten zu bestimmen.
Die Form der Eisenkörper bringt auch noch in anderer Weise eine nicht
unwesentliche Verschiedenheit mit sich, nämlich in Bezug auf die Homogenität
der gehärteten Eisenmasse. Das Härten wird bekanntlich entweder auf mecha-
nischem Wege, z. B. durch Hämmern oder Strecken oder aber — ebenso wie
das Weichmachen — auf thermischem Wege erzielt, indem der Körper erhitzt,
bei einer bestimmten Temperatur abgelöscht, d. h. plötzlich abgekühlt wird,
wodurch er hart wird, und dann eventuell wieder geglüht wird, wodurch er
seine Härte wieder mehr oder weniger einbüsst. Fast alle diese Processe wirken
aber von der Oberfläche des Körpers aus, erstrecken sich nur abgeschwächt in
sein Inneres und geben also dünneren Körpern eine homogenere Umgestaltung
als voluminösen Körpern, wie denn z. B. der Aehnlichkeitssatz von THOMSON
(pag. 147) nach H. MzvreR?) Banus u. A. tür Stahl seine Gültigkeit verliert,
was bei homogenem Material unverständlich wäre. Dabei spielt ferner in leicht
begreiflicher Weise die Ablóschungs- resp. Anlassungstemperatur, die Hóhe und
Dauer des Glühens, Streckens u. s. w., die Háufigkeit der Wiederholung dieser
Processe und noch mancher andere Umstand eine wichtige Rolle, sodass man
die Complikation dieses Problems einsieht und sich nicht wundern wird, wenn
aus den meisten bezüglichen Experimentaluntersuchungen sichere und allgemeine
Schlüsse nicht zu ziehen sind.
Eine der brauchbarsten und werthvollsten Arbeiten dieser Art ist jedenfalls
die von BArUS und STROUHAL®. Alle erwähnten Umstände wurden hierbei be-
rücksichtigt, und die Härte der verschiedenen Drähte, die benutzt wurden, wurde
durch ihren elektrischen Leitungswiderstand bestimmt, eine Methode, die, wie
BARUS vorher gezeigt hatte, relativ sehr zuverlässig ist. Ein Theil der Ergebnisse
7) v. WALTENHOFEN, DInGL. Pol. Journ. 170, pag. 201. 1863; 217, pag. 357. 1875;
232, pag. 141. 1979.
7) H. MEYER, WIED. Ann. I8, pag. 248. 1883.
3) BARUS u. STROUHAL, Bull. Un. States Geol. Surv. No. 14. 1885.