Theorie des Temperatur-Einflusses. 267
Eine specielle Betrachtung fordert noch das seltsame Verhalten heraus,
welches z. B. beim Eisen in der Nähe von 800° auftritt: das starke Anwachsen
des Magnetismus und das darauf folgende fast plötzliche Verschwinden desselben.
Es würde diese Thatsache kaum verständlich sein, wenn sie nicht mit mehreren
anderen interessanten Erscheinungen zusammenfiele, dem GoRnE'schen Pháno
men!) und der Recalescenz. Das GomEsche Phänomen besteht darin, dass
ein Eisendraht, der erhitzt wird, bei dunkler Rothgluth eine plótzliche Zusammen-
ziehung, durch welche die regelmássige Ausdehnung vorübergehend unterbrochen
wird, und ebenso bei der Abkühlung an derselben Stelle eine plótzliche Aus-
dehnung erfihrt; Gore selbst hat diese Erscheinung, die vielleicht durch den
Kohlengehalt des Eisens hervorgerufen wird, mit der plötzlichen Aenderung der
Magnetisirbarkeit bei dieser Temperatur in Verbindung gebracht. Die von
BARRETT?) aufgefundene Recalescenz, die ebenfalls bei jener kritischen Tem-
peratur auftritt, besteht darin, dass die Abkühlung sich selbst überlassenen KEisens
oder Stahls an dieser Stelle eine plötzliche Unterbrechung erleidet, ja sogar in
vorübergehende Erwärmung übergehen kann, die man unter Umständen als Heller-
werden der Rothgluth auch mit dem Auge wahrnehmen kann; es ist daraus zu
schliessen, dass durch innere Vorgänge, also durch Strukturänderung, Wärme
erzeugt wird. Den Zusammenhang der Erscheinung mit dem Wiederauftritt
des Magnetismus hat besonders HOPKINSON studirt und u. a. gefunden, dass
bei dem vollständig unmagnetischen Manganstahl die Erscheinung der Recales-
cenz fehlt. Das GomEsche Phánomen und die Recalescenz sind aber nicht
die einzigen, hier in Betracht kommenden Thatsachen; es ist terner an die
von HOLBORN constatirten Hirtungstemperaturen (pag. 194) zu erinnern und
darauf hinzuweisen, dass auch für die Beziehungen des Magnetismus zur
Dehnung und Torsion nach 'TowrmsoN?), ferner für das elektrische und
thermoelektrische Verhalten die in Rede stehende Temperatur einen kritischen
Charakter hat.
Thermomagnetische Motoren. Die Abhàángigkeit des Magnetismus von
der Temperatur giebt die Móglichkeit einer eigenartigen Methode zur Leistung
von Arbeit an die Hand, indem nämlich kaltes Eisen in das Feld hineingezogen,
warmes aber ohne oder mit geringerem Arbeitsaufwande aus ihm herausgezogen
werden kann. Dieser Gedanke ist von Epison*), THomson und Housron°),
ScuwEDOFFÜ), sowie STEFAN?) zur Construction thermomagnetischer Motoren be-
nutzt worden. Für die Praxis haben dieselben bis jetzt keine Bedeutung erlangt,
zur Demonstration sind jedoch namentlich die SrEFAN'schen Apparate vortreft-
lich geeignet. Der eine von ihnen, das thermomagnetische Pendel, schwingt
mit seinem als Pendelkórper dienenden Nickel- oder (Eisen-)blech zwischen den
Magnetpolen hin und her, der andere, das thermomagnetische Rad, rotirt
zwischen ihnen.
1) GonE, Proc. R. Soc. 17, pag. 260. 1869. — Vergl. auch C. HEIM, Unt. üb. die Gon£-
schen Phänomene, In.-Diss. Münch. 1885.
2) BARRETT, Phil. Mag. (4) 46, pag. 472. 1873.
3) TOMLINSON, Proc. Phys. Soc. Lond. 1887, pag. 67. — TOMLINSON und NEWALL, Phil.
Mag. (5) 24, pag. 256 und 435. 1887.
4) Epison, Lum. él. 1887, pag. 554.
5) Houston und THOMSON, J. of the FRANKLIN Inst. 1879, pag. 39.
6) SCHWEDOFF, J. de Phys. (2) 5, pag. 362. 1886.
7) STEFAN, WIED. Ann. 38, pag. 427. 1889.