Elektromagnetismus.
der oberen und unteren Nadel vorbeiführen. Man findet dann, dass die Nadel
sich senkrecht gegen die Richtung des zunächst geradlinig gedachten Stromes,
aber auch senkrecht gegen das vom Nadelmittelpunkte auf den Strom gefällte
Loth stellt, also senkrecht zu der durch Strom und Loth bestimmten Ebene.
Wie sich die Nadel unter gleichzeitiger Einwirkung des Erdmagnetismus einstellt,
hängt von der Richtung und Entfernung ab, in welcher der Strom bei der Nadel
vorbeifliesst, und von seiner Stärke im Vergleich zum Erdmagnetismus. In allen
diesen und den folgenden Versuchen bedient man sich der AMPEREschen
Stative, die inzwischen in verschiedenen Richtungen vervollkommnet worden sind.
Sieht man einen Magneten in erster Annäherung als ein einfaches Polpaar
(pag. 8) an, so kann man aus der beobachteten Wirkung des Stromes auf den
Magneten seine Wirkung auf einen einzelnen Pol abstrahieren, eine Wirkung,
die thatsächlich nicht vorkommt, aber für viele Betrachtungen von Wichtigkeit ist.
Eine einfache, an die Querstellung des Polpaares gegen den Strom anknüpfende
Betrachtung zeigt nun, dass auch die Wirkung auf einen Pol senkrecht steht auf
dem von diesem Pol auf die Stromlinie gefállten Lothe. Bei wirklichen
Magneten hat man zu beachten, dass, wenn man deren Pole einführt, hierunter
nicht die eigentlichen Fernwirkungspole, sondern die Pole für Wirkungen in der
Náühe (s. Art. »Magnetismus«) zu verstehen sind.
Die Wirkung des elektrischen Stromes auf Magnete zeigt sich natürlich
ausser durch Ablenkung auch durch einen Einfluss auf die Schwingungs-
dauer an, und das ist von Wichtigkeit gerade fiir die Fille, in denen eine Ab-
lenkung nicht auftritt, weil die Ruhelage des Magneten schon von vornherein
auch der Stromwirkung entspricht. In diesem einfachsten Falle wird also die
Schwingungsdauer unter Einfluss des Erdmagnetismus durch den Strom ver-
kleinert, in allen anderen Füllen treten complicirtere Verhältnisse ein.
Daraus, dass die Nadel sich senkrecht gegen die Verbindungslinie ihres
Mittelpunktes mit dem Strome stellt, ist die wichtige Folgerung zu ziehen, dass
es sich hier nicht, wie beim Magnetismus, um Anziehungs- und Abstossungs-
krifte, sondern um seitliche oder drehende Kräfte handelt. Man kann
dieses Verhalten ganz allgemein in dem Satze zusammenfassen: Die magnetischen
Kraftlinien stehen auf den elektrischen senkrecht; sie fallen also in die elek-
trischen Niveauflàáchen, und umgekehrt die elektrischen Kraftlinien in die
magnetischen Niveauflüchen.
Damit ist natürlich nicht gesagt, dass nicht unter Umständen Bewegungen
hervorgerufen werden, welche den Anschein von Anziehung oder Abstossung
erwecken. Man braucht nur die Kräfte auf die beiden Pole zu betrachten und
in geeignete Componenten zu zerlegen, um einzusehen, dass ausser der Drehung
in den meisten Fällen auch eine Anziehung oder Abstossung zu Stande kommt.
Führt man z. B. über eine Wasserfläche, auf der eine Magnetnadel schwimmt,
irgendwo einen Strom hinweg, so stellt sich die Nadel nicht nur senkrecht gegen
den Strom, sondern sie schwimmt auch nach ihm hin, bis sie unter ihm liegt;
auch zu einem verticalen Strome wird eine schwimmende Nadel hingezogen;
ferner erfahren die Pole einer gegen den Strom unsymmetrisch gelegenen Nadel im
allgemeinen Anziehung oder Abstossung u. s. w. In diesen Füllen, deren man
in der ersten Zeit nach Entdeckung des Erscheinungsgebietes sehr zahlreiche
studirte!), lässt sich immer und meist in sehr einfacher Weise zeigen, dass es
1) Z. B. ARAGO, POUILLET, Dove, BOISGIRAUD. Vergl. v. FEILITZSCH, Fernwirkungen d.
galv. Stromes. Hbg. 1865, u. WIEDEMANN, Elektr. (3), Bd. 3.