328 Elektromagnetismus.
geführt werden kann. In diesem Sinne hat NERNsT!) die Erscheinung als longi-
tudinalen Harr-Effekt bezeichnet. Bei dem transversalen Harr-Versuch wird
das Eintreten einer Potentialdifferenz zwischen zwei Plattenstellen, die ur-
sprünglich keine solche haben, constatirt; bei dem longitudinalen Versuch wird
gezeigt, dass die Potentialdifferenz zwischen zwei Stellen, zwischen denen sie
schon von vornherein gross ist, eben zwischen der Ein- und Austrittstelle des pri-
máren Stromes selbst, im Felde verringert wird. Der Zusammenhang zwischen beiden
Erscheinungen ist insofern sehr einfach, als bei gleichbleibender Resultante die
eine Componente abnehmen muss, wenn die andere von Null auf einen posi-
tiven Werth zunimmt. Man kann also den longitudinalen Harr-Effekt als eine
Folge des transversalen bezeichnen. Umgekehrt muss aber auch die Widerstands-
änderung im Magnetfelde und zwar speciell der Umstand, dass sie eine Function
des Winkels der Stromrichtung mit dem Felde ist, eine Rückwirkung auf das trans-
versale HALL-Phänomen ausüben, wie man bei Verfolgung der Stromfäden in
der Platte leicht einsieht; es soll damit nicht gesagt sein, dass sich hierdurch
das HALL’sche Phänomen erklärt; aber es ist damit ein zweiter Faktor desselben
aufgedeckt, der bei einer Theorie berücksichtigt werden muss.
Thermomagnetischer Transversaleffekt (vergl. die schon früher,
Bd. III, 1, pag. 403, hierüber gemachten kurzen Bemerkungen). v. ETTINGSHAUSEN
und NERNST?) haben gezeigt, dass ein dem Harr'schen ganz analoger stationürer
Transversalstrom auftritt, wenn man in der primären Richtung statt eines elek-
trischen einen Wármestrom durch die Platte fliessen lüsst, indem man etwa bei
der rechteckigen Platte die Mitte der einen Kante stündig erhitzt und die Mitte
der gegenüberliegenden Seite stándig kühlt; die Richtung des elektrischen Quer-
stromes wechselt mit der des Wármestromes und des Feldes; für eine bestimmte
Richtung der beiden letzteren ist sie derart, dass man von der Eintrittstelle
des Wármestromes zur Eintrittstelle des erzeugten elektrischen Querstromes in
die Platte durch eine Bewegung entgegengesetzt dem Sinne der das Feld er-
regenden Stróme gelangt. Entdeckt wurde die Erscheinung beim Wismuth,
und zwar an einer Platte von 5 c» Lànge, 4 cz Breite und 0:2 cz Dicke (also
an einer verhültnissmássig sehr dicken Platte); sie wurde dann aber bei zahl-
losen anderen Substanzen wiedergefunden, bei einigen war das Vorzeichen wie
bei Wismuth, also nach einer bei anderen Erscheinungen eingeführten Bezeichnungs-
weise negativ, bei anderen positiv. Die auftretende elektromotorische Kraft
lässt sich durch die Formeln
WM
a aunq
ausdrücken, in denen 6 die Breite, A die Linge, à die Dicke der Platte, M die
Feldstärke, /, und 7, die beiden constant erhaltenen Temperaturen, J7 die In-
tensität des Wärmestromes, Q eine specifische Constante und .X das Würme-
leitungsvermógen ist; die erste Formel stellt unmittelbar das Ergebniss der
Beobachtungen dar, die zweite, die sich durch Umrechnung aus ihr leicht
ergiebt, zeigt, dass die Erscheinung dem HaLr'schen Phánomen vollkommen
analog ist und in ganz derselben Weise von den maassgebenden Faktoren ab-
hángt; nur wird dann die specifische Constante nicht, wie in der ersten Formel,
Q, sondern Q/K. Uebrigens hingt Q von der Temperatur ab, eine Abhángig-
!) NERNST, WIED. Ann. 31, pag. 783. 1887.
7) v. ETTINGSHAUSEN u. NERNST, WIED. Ann. 29, pag. 343. 1886. — NERNST, WIED.
Ann. 31, pag. 760. 1887.