Constitution der Magnete; linearer Magnet. 33
In experimenteller Weise ist die vorliegende Frage von vielen Seiten be-
handelt worden, zuerst und in einer für jetzt ausreichenden Weise (näheres im
Art. Magn. Messungen) von CouLoMB!) und zwar wieder durch Schwingungen
einer kleinen Nadel, welche dicht an die verschiedenen Stellen eines vertikal
aufgestellten, langen, dünnen Magneten herangebracht wurde. Wenn eine solche
Nadel nicht nur gegenüber den Polen, sondern auch gegenüber anderen Stellen
des Stabes eine von ihrer natürlichen verschiedene Schwingungsdauer zeigt, so
folgt freilich daraus noch nicht, dass auch diese Stellen freien Magnetismus
haben; denn der Einfluss der Pole kónnte sich ja so weit erstrecken. Indessen
sieht man doch ein, dass, wenn man die Nadel, wie es geschah, sehr nahe
heranbringt, die Wirkung der Pole und insbesondere ihre Horizontalcomponente
um die es sich hier handelt, schon bei einiger Entfernung der betreffenden
Stellen sehr klein wird. Wil man strenger zu Werke gehen, so kann
man nach einer einfachen Formel berechnen, welche Wirkungen, also Schwin-
gungszahlen, zu erwarten wáren, wenn nur die Pole wirkten, und diese
mit den beobachteten vergleichen, ein Verfahren, bei welchem man so
schreiende Widersprüche findet, dass der Gegenbeweis geliefert ist. Dagegen
führt die Anwendung der obigen tbeoretischen Vertheilungsformel für à zu sehr
befriedigender Uebereinstimmung mit den Versuchen. In der Fig. 126 (w. u.)
sind durch die gestrichelten Linien (die ausgezogenen gehóren nicht hierher)
die Curven des freien und des gesammten Magnetismus zur Anschauung gebracht,
die letztere ist eine umgekehrte Kettenlinie.
Es ist übrigens ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen, dass nicht noth-
wendig jeder magnetische Faden die geschilderte Vertheilung des Magnetismus
aufweisen muss. Es wird das vielmehr, wie die Theorie zeigt, nur dann der
Fall sein, wenn man alle Theile des Stabes dem gleichen áusseren magnetisiren-
den Einfluss ausgesetzt hat, insbesondere wenn man den ganzen Stab so stark
wie môglich magnetisirt hat, nicht aber, wenn man verschiedene Theile des-
selben verschieden oder verschieden stark oder überhaupt nur einige und andere
gar nicht bearbeitet hat. Ein Ausgleich des Magnetismus findet ja in Folge
seiner molekularen Natur nicht statt, und der Einfluss der Fernwirkung zwischen
einzelnen Theilen ist im Allgemeinen viel zu gering, um aucb nur einigermaassen
Gleichfórmigkeit erzielen zu kónnen. In Folge dessen kann es sich sehr wohl
in gewissen Fállen herausstellen, dass die Curve der Vertheilung eine nicht un-
wesentlich andere ist, und insbesondere, dass sie nicht symmetrisch nach beiden
Seiten ist, der Punkt, in welchem der freie Magnetismus Null, der gesammte
ein Maximum ist, also nicht in der Mitte des Stabes, sondern nach der einen
Seite hin verschoben liegt, woraus dann ohne weiteres folgt, dass auch die
beiden oben symmetrisch resp. umgekehrt symmetrisch gedachten Aeste der Curve
ungleich ausfallen werden (s. auch »Magn. Messungen« und »Elektromagnetismus«).
Für einzelne Stücke der Curve kann man bei lángeren Stüben den Bior-
schen Ausdruck vereinfachen und findet dann u. a,, dass von der Mitte aus eine
Strecke weit der freie Magnetismus ziemlich in arithmetischer Progression zu-
nimmt, vom Ende aus dagegen eine Strecke weit etwa in geometrischer Pro-
gression abnimmt. Diese Gesetze kann man natürlich auch durch empirische
Verschmelzungen zu einem einzigen vereinigen, wie Dus?) u. A. gethan haben,
! CouLoMB, Mém. Ac. Paris 1789, pag. 468. — GEHLER’s Wórterbuch 6, pag. 789.
2) Dus, Pocc. Ann. 106, pag. 83. 1859. — D. Elektromagnetismus. Berlin 1861,
pag. 268 u. a. a. O.
WINKELMANN, Physik. III. 2.