36 Magnetismus.
freien Magnetismus, nämlich nur da, wo diejenigen Fäden, welche nicht im
Inneren geschlossen verlaufen, enden. Ein solcher Magnet wird als solenoi-
daler Magnet bezeichnet. Als ein Beispiel sei ein abgestumpfter Kegel an-
geführt, welcher, nach der Axe magnetisirt, ausser auf den beiden Endfláchen
(wie der Cylinder) auch auf dem Mantel freien Magnetismus besitzt, well hier
Fäden endigen.
Ein gleichförmiger Faden heisst auch einfaches Solenoid. Im Gegensatz
hierzu steht ein ungleichförmiger Faden, den man offenbar zusammengesetzt
denken kann aus lauter gleichförmigen Fäden von verschiedener Länge; er wird
daher complexes Solenoid genannt. Ein solches hat freien Magnetismus nicht
nur an der Oberfläche, sondern auch im Innern.
Ein magnetischer. Faden hat nur in der Richtung, in welcher die Theilchen
polarisirt sind, Ausdehnung. In dieser Hinsicht bildet seinen Gegensatz eine
andere abstrakte magnetische Form, die magnetische Schale, das magne-
tische Blatt oder die magnetische Lamelle!) Es ist eine irgendwie geformte
dünne Platte, welche in jedem Punkte senkrecht zu ihrer Oberfliche magnetisirt
ist, derart, dass man sich die Pole der einen Art in der einen Oberfläche, die
anderen in der anderen gelegen denken kann. Eine geschlossene Schale
hat zwar die gesammte eine Oberfläche zum Nordpol, die gesammte andere
zum Südpol, sie hat aber, worauf später zurückgekommen werden wird, trotzdem
ebenso wenig eine magnetische Wirkung, wie ein geschlossener Faden. Eine
Schale kann entweder von constanter Dicke, d. h. alle ihre elementaren Magnete
von gleicher Länge sein, oder diese kann varliren. Dasselbe gilt von der Pol-
stärke der einzelnen Elemente. Das Produkt beider, also das magnetische
Moment, heisst die Stärke der Schale. Ist diese für alle ihre Punkte constant,
so heisst die Schale einfach; variirt sie, so kann man sich ähnlich wie beim
Selenoid eine Uebereinanderlagerung verschieden weit übergreifender einfacher
Schalen denken, und eine solche Schale heisst dann complex.
Lamellarer Magnet heisst in der Theorie ein solcher, welcher sich aus
Schalen zusammensetzt, die entweder geschlossene oder in der Oberfláche des
Magneten endigende Figuren bilden.
Bei einem beliebigen Magneten wird man nach dem Vorausgeschickten im
Allgemeinen nur sagen kónnen, dass er freien Magnetismus theils an der Ober-
fláche, theils im Inneren besitzt, und dass es, wenigstens theoretisch, Fälle geben
kann, wo der letztere in Fortfall kommt; ein solcher Fall ist insbesondere der,
in welchem alle Molekeln gleiche Axenrichtung und gleiche Polstärke haben.
Auf das Moment, die Pole und die Axe eines beliebigen Magneten, soweit sie
nicht von dem bei einem Faden Gesagten ohne weiteres hierher übertragen
werden kónnen, wird spáter eingegangen werden.
Wirkung der Magnete nach aussen.
Nachdem wir die Wirkung eines Poles und diejenige eines Polpaares kennen
gelernt haben, vervollstándigen wir die Reihe durch ihr wichtigstes Glied, indem
wir die Wirkung von Magneten, wie sie in der Wirklichkeit vorkommen, be-
trachten. Dabei sehen wir ihre eigene magnetische Constitution als gegeben und
unveründerlich an, eine Voraussetzung, die thatsächlich nur bei gewissen Magne-
ten und unter gewissen Umständen erfüllt ist, während in den meisten Fällen
gerade durch die Veränderlichkeit des eigenen Zustandes und dessen Rück-
T?) W. THoMSON, Ges. Abh. pag. 367. — MAXWELL 2, pag. 41.
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