KEPLER. 79
Allein KEPLER begnügt sich nicht mit der von COPERNICUS aufgestellten
Theorie. Ihm waren die Epicykeln desselben noch ein Stein des Anstosses,
und er sagt in seinem »Mysterium Cosmographicum«, dass man damals der
Wahrheit noch nicht viel näher wäre, als die Alten. Er suchte nicht eine ein-
fache Zerlegung der complicirten Bewegungen in Länge, sondern er suchte
wirkliche Bahnen. Vor ihm begnügte man sich mit der Darstellung der Be-
wegung der Planeten in Länge und eventuell in Breite, die Entfernungen der
Himmelskörper von der Erde sah man als unbestimmbar an, so lange sich die
Parallaxe derselben nicht bestimmen liess; sie ergaben sich nur nebenbei.
KEPLER gab sich mit diesen Methoden nicht zufrieden, er fand Mittel um auch
die wahren Entfernungen von der Erde zu bestimmen — wenigstens für den-
jenigen Himmelskörper, welcher ihm das Hauptmaterial zu seinen theoretischen
Untersuchungen bot, für den Mars — und das Bestreben, die beobachteten
Längen und die Entfernungen richtig darzustellen, führte ihn auf die Bestimmung
der richtigen Form der Bahn. Andererseits suchte er auch nach physikalischen
Ursachen, welche die Bewegung der Himmelskörper bewirken könnten, und wenn
er sich auch hier in Conjecturen verlor, welche allerdings sehr sinnreich, oft
aber auch als höchst phantastisch bezeichnet werden müssen, so führten sie ihn
nach manchen Irrgängen doch endlich zu den wahren Gesetzen der Bewegungen.
Unermüdlich war KEPLER in der Aufstellung neuer physikalischer Hypothesen;
wurde eine frühere durch die Beobachtungen nicht bestätigt, so suchte er nach
der Ursache der Nichtübereinstimmung; am besten wird sein Streben in dieser
Richtung durch seine eigenen Worte in einem solchen Falle charakterisirt: //ague
causae physicae cap. 45 zn fumos abeunt.
Seine ersten Untersuchungen über die allgemeine Weltordnung betrafen die
Beziehungen zwischen den Entfernungen der Planeten von der Sonne, und den
Beziehungen zwischen diesen Entfernungen und den Umlaufszeiten.
Anfangs nahm KEPLER, um Verhältnisse zwischen den Entfernungen zu
finden, an, dass zwischen Mercur und Venus einerseits, und zwischen Mars und
Jupiter andererseits je ein Planet die Sonne umkreisen müsse, welchen man
wegen seiner geringen Grösse niemals sehen könne. Da er jedoch auch unter
dieser Annahme zu keinem Resultat kam, so brachte er die Bahnen der Planeten
mit den regulären Körpern in Verbindung. Er ordnete jedem Planeten eine
Kugelschale zu, derart, dass die äussere Kugel derselben mit der grössten, die
innere mit der kleinsten Entfernung des Planeten von der Sonne beschrieben
wurde; dann lassen sich nach ihm die fünf regulären Körper so einschalten,
dass jeder derselben einem Planeten um- und dem nächstfolgenden eingeschrieben
ist. Die Reihenfolge ist dann: Mercur, Octaéder, Venus, Icosaéder, Erde, Do-
decaëder, Mars, Tetraëder, Jupiter, Hexaéder, Saturn. Da es nur 5 reguläre
Körper giebt, so schliesst KEPLER, dass es auch nur 6 Planeten geben kann;
in der That stimmen die den 5 regulären Körpern ein- und umschriebenen
Kugeln mässig gut mit den Entfernungen der Planeten überein. Um ein Urteil
über die bei dieser Vergleichung zu erlangende oder nöthige Genauigkeit zu
erhalten, mag erwähnt werden, dass die Uebereinstimmung fast gleich gut blieb,
ob nun KEPLER die beiden Kugeln der Erdbahn für sich allein ein- und um-
schrieb, oder ob er sie in einer Distanz wählte, dass sich die Erde mit dem sie
umkreisenden Monde in dem Zwischenraum bewegen konnte.
Hieran schloss nun KEPLER Untersuchungen über die Beziehungen zwischen
den Entfernungen der Planeten und ihren Geschwindigkeiten. Erst versuchte er
die einfache Proportionalität, d. h. den Satz, dass die Umlaufszeiten den Ent-