NEWTON: Prücession; Ebbe und Fluth, LI
und da die Retrogradation der Knoten in einem Jahr gleich 19? 21"5 ist, so
würe die daraus folgende Prácession der Aequinoctien gleich 93".
Dass die Erde am Aequator eine Ueberhóhung haben müsse, welche eben
die Ursache der Práücession ist, hatte bereits HuvGHENs erkannt, und für die
Abplattung?) den. Werth -.1- angegeben. Man gelangt hierzu durch die folgende
einfache Ueberlegung. Zwei geradlinige Kanüle, von denen der eine vom Pol,
der andere von einem Punkte des Aequators zum Erdmittelpunkte gezogen
werden, bilden ein communicirendes Gefáss, in welchem eine flüssige Masse nur
dann im Gleichgewicht stehen kann, wenn die in den beiden Kanälen befindlichen
Drucke einander gleich sind; der Druck in dem Aequatorealkanal wird aber durch
eine in Folge der Rotation auftretende Fliehkraft vermindert, welche Verminderung
durch eine Vergrösserung der Masse, also Verlängerung der Säule compensirt
werden muss. NEWTON findet die Fliehkraft im Aequator 414 der Anziehungs-
kraft der Erde, und damit für die Abplattung den Werth 41;.
War in dieser Weise die feste Grundform der Erde aus den Principien
der Gravitation der '"'heilchen zum Ganzen abgeleitet, so waren noch die Form-
verinderungen des verdnderlichen Theiles, des Meeres, d. i. die Gezeiten (Ebbe
und Fluth) aus demselben Princip abzuleiten. Da die zu den Zeiten der Syzygien
fallenden Gezeiten bedeutend grósser sind, als die zu den Zeiten der Quadraturen
auftretenden, so ist in dem einen Falle die Summe der Anziehungen von Sonne und
Mond, im anderen die Differenz derselben wirksam. In Betracht zu ziehen ist ja nur
die Differenz der Anziehungen, welche der Mond oder die Sonne auf ein Theilchen
der Erde gegenüber denjenigen auf den :Erdmittelpunkt ausübt. Wird die letztere
in der Richtung gegen die Sonne mit 2, die erstere mit x, bezeichnet, und die
entsprechenden auf den Mond bezüglichen Gróssen mit p', m', so ist für D = 0
oder 180°:
=== (= =r] =
wenn ¢ der Erdhalbmesser ist?) und ebenso
' ' ' - 9 a T
4 =m —p == àI—1 P«
P
Wirken diese Kráfte daher auf der, gegen den Mond (oder die Sonne) zu-
gekehrten Erdhälfte als Anziehungen, so wirken sie auf der entgegengesetzten
Seite gleichsam als Abstossungen, und bewirken auf beiden Seiten Ueberhôhungen,
Verlängerungen des Wasserkôrpers in der Richtung gegen Sonne und Mond.
Das Verhältniss dieser Kräfte ist daher (abgesehen vom Zeichen)
!
uo
13
op
— T=
7
p M 0! 2 ; 3
und da 5 = —{-—] ist, wenn mit 77, v. die Sonnen- und Mondmasse bezeichnet
D
; Je n. A fo NS. BEE,
werden, wird schliesslich 2 — — |——] . Das Verháltniss 7 hatte NEWTON aus der
p p
Hóhe der Springfluthen (in den Syzygien) und Nippfluthen (in den Quadraturen)
1) Dass der wahre Werth wesentlich kleiner ist, ist durch den Umstand bedingt, dass in
/
Wirklichkeit die Masse des Hauptplaneten mitbewegt werden muss,
a— 6
?) D. i. das Verhiltniss ———, wenn « den Aequatoreal-, 4 den Polarhalbmesser der Erde
a
bezeichnet.
?) Vergl. damit Fig. 39, in welcher S der anziehende Körper (Sonne oder Mond) und Z
der Mittelpunkt, /7 ein Punkt der Oberfláche der Erde ist.
"
VALENTIN ER, Astronomie, I, ; ; 8