Jupitersatelliten; Libration des Mondes. 141
Aus der Grósse der Stórungen kann man auch auf die Masse des stórenden
Kórpers schliessen; es ist dies auch das einzige Mittel, die Massen derjenigen
Himmelskórper zu bestimmen, welche keine Monde haben. LAGRANGE bestimmt
auf diese Weise die Masse des zweiten Jupitermondes aus den beobachteten
Stórungen, welche er in der Bewegung des ersten erzeugt, gleich 0:000024 2;
und für den ersten und dritten als obere Grenze die Masse < 0:00011 4.
LAPLACE hatte 1784 diese Untersuchungen nochmals aufgenommen, und er
fand, dass die beiden angeführten Beziehungen zwischen den mittleren Bewegungen
und Längen genau und beständig erfüllt sein müssen, dass die Secular-
gleichungen der mittleren Bewegungen derart sind, dass die resultirenden
gestórten Lángen sich diesem Gesetz fügen, und dass, wenn die Beobachtungen
eine Abweichung von diesem Gesetz mit Sicherheit constatiren liessen, damit
erwiesen würe, dass mindestens einer der Satelliten sich um seine Axe in der
selben Zeit drebt, in welcher er seinen Umlauf um Jupiter vollführt, ein Gesetz,
das dem für den Erdmond gültigen vóllig analog ist.
Die erste Anregung zur Untersuchung über die Libration des Mondes rührt
von EULER her; 1750 hatte er in der Abhandlung »De perturbatione | motus
planetarum ab eorum figura non sphaerica oriunda« den Einfluss einer An-
schwellung des Mondes gegen die Erde hin untersucht, wobei er dieselbe aber
durch zwei in der Richtung der Verbindungslinie Erde— Mond zu beiden Seiten
des Mondes anzubringende Massen ersetzt. EULER untersucht jedoch weniger die
Bewegung dieser beiden Massen gegen den Radiusvector des Mondes, als den
Einfluss, den diese Massen auf die Bewegung der Apsiden äussern mussten,
Seine Resultate waren aber keine befriedigenden, denn er fand, dass die Ent-
fernung der beiden Kórper 21 Monddurchmesser sein müsste, um die ganze
Differenz der aus dem Attractionsgesetz und aus der Beobachtung gefolgerten
Bewegung der Apsiden!) zu erklären.
Den Gedanken einer Anschwellung des Mondes gegen die Erde hin und
einer daraus folgenden oscillatorischen Bewegung nahm 1763 LAGRANGE auf, und
gelangte schon in dieser Arbeit zu befriedigenden Resultaten. Würde die
Rotation des Mondes um seine Axe völlig gleichmässig stattfinden, so müsste
selbstverständlich die geringste Abweichung sich im Laufe der Zeiten summiren,
und man müsste schliesslich doch im Laufe der Jahrzehnte oder Jahrhunderte
die gesammte Oberfläche des Mondes kennen lernen. Nimmt man jedoch an,
dass der Mond nicht vollständig gleichmässig rotirt, was seinen Grund in einer
Anschwellung gegen die Erde hin haben kann, so wird die Anziehung der Erde
bewirken, dass dieser gegen die Erde zu verlängerte Mondkörper wie ein Pendel
Schwingungen um seine Ruhelage macht, als welche diejenige anzusehen ist,
wenn die grosse Axe der Aequatorellipse des Mondes genau gegen den Erd-
mittelpunkt gerichtet ist. Diese Schwankung nennt man die physische Libration
des Mondes im Gegensatz zu der früher beschriebenen optischen. In diesem
Falle würde, wenn nur ursprünglich die Rotationszeit und die Dauer eines Um-
laufes des Mondes um die Erde nicht allzu verschieden?) waren, die Gleich-
heit beider sich im Laufe der Zeiten herstellen. D’ALEMBERT War in seinen
bald darauf erschienenen Untersuchungen über die Libration des Mondes zu
wesentlich denselben Resultaten gelangt, hingegen blieb hierbei noch der Umstand
! Nach den àültesten theoretischen Resultaten über diese Bewegung.
2?) Unter gewissen sehr wahrscheinlichen Voraussetzungen kann auch diese beschränkende
Annahme fallen gelassen werden.