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Astrophotographie. 259
In neuester Zeit wird nun das Objektivprisma zur systematischen Durch-
musterung des Himmels von Epw. PickERING in Cambridge (Mass.) angewandt.
Diese Methode hat der anderen gegenüber, wo man mit einem Spaltapparat
photographirt, den Vorzug, dass, während man mit letzterem nur ein einziges
Sternspectrum photographiren kann, man mit dem Objektivprisma auf einmal
soviel Sternspectra aufnehmen kann, als Sterne im Gesichtsfeld sind.
Die ersten Versuche machte PickERING mit einem Prisma von 30° sah
jedoch bald ein, dass die Dispersion eine viel zu grosse war; er liess dann
später Prismen aus gewóhnlichem weissen Spiegelglas mit einem Brechungswinkel
von 5? bis 15? anfertigen und setzte diese vor das photographische Objectiv von
20 cz Oeffnung. Natürlich hatten die Prismen den gleichen Durchmesser wie
das Objectiv, damit sie von letzterem nichts abblenden. Sodann bediente sich
PICKERING eines achtzôlligen, später eines elfzôlligen Objectivprismas mit 15°
Brechungswinkel, welches zu einem elfzôlligen Refractor gehörte. Zur Erzielung
einer stärkeren Dispersion wendete er dann mehrere solcher Prismen an, ein
gewiss nicht zu empfehlendes Verfahren, da erstens die Prismenflächen ausser-
ordentlich gut gearbeitet sein müssen, sodann ist der Lichtverlust ein recht be-
trächtlicher, endlich wird eine solche Glasmasse schon recht schwer, wenngleich
in Bezug auf letzteren Punkt die PICKERING’sche Angabe, wonach 4 solcher
Prismen über 50 Zgr gewogen haben sollen, in hohem Grade verwundern muss.
Gegenwürtig besitzt übrigens — beiláufig bemerkt — PicKERING schon ein
vierundzwanzigzólliges photographisches Objectiv mit einem vierundzwanzigzólligen
Objectivprisma.
Die Breite des Spectrums bei diesen Aufnahmen ist nun aber eine ganz
minimale, und um auf einem Spectrum etwas zu erkennen, muss es wenigstens
1 mm breit sein. Um dies zu erreichen, wandte PickERING Cylinderlinsen an,
ein Verfahren, welches der Beobachter bald selbst als falsch erkannte. Man
erreicht dasselbe, wenn man das Uhrwerk nicht folgen lässt, oder besser, wenn
man den Regulator entweder vor- oder nachgehen lässt. Man erkennt dies aus
folgender Erwägung; will man die feine Linie im Spectrum auf 1 zzz verbreitern,
so durchlaufen Aequatorsterne diese Breite in etwa 12 Secunden. Die längste
angemessene Expositionszeit betrágt nun eine Stunde, daher ist es am besten,
das Triebwerk so zu verstellen, dass es in einer Stunde 12 Secunden verliert
oder gewinnt. Eine nach mittlerer Zeit gehende Uhr verliert gegen Sternzeit in
der Stunde etwa 10 Secunden, und so genügt es vollständig, das Triebwerk
des Aequatoreals durch eine nach mittlerer Zeit gehende Uhr reguliren zu lassen.
Angenehmer ist freilich am Apparat ein Hilfstriebwerk, dessen Gang nach Be-
lieben durch Einschalten von Hemmungen verschiedener Längen geändert werden
kann. Es ändere z. B. eine derselben den Gang 12 Secunden in 5 Minuten,
eine andere um ebensoviel in einer Stunde u. s. w. Hiermit wird dann dem
Grössenunterschied von der 2:7 bis 6:1 Grössenklasse entsprochen. Da nun
ein Stern 2. Grosse bei ruhendem Fernrohr noch eine Spectralphotographie
liefert, so können unter Einschaltung der beiden Hemmungen Sterne der 6.
bezw. der 8. Grössenklasse spectroskopisch photographirt werden. (Vergl.
hierüber PrckERING's Schrift »An investigation on Stellarphotographie conducted
on the Harvard College Observatory«, Mem. of the Americ. Academy Vol. XI).
Es giebt nun noch eine sehr sinnreiche Methode zur Erweiterung der Spectra
von SCHEINER in Potsdam, bei der man sie aber nochmals, und am besten gleich
etwas vergróssert vom Originalnegativ abphotographiren muss. Als PICKERING
seine Cylinderlinse einführte, dachte er damit die stórende Wirkung des Silber-
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